CMD-Diagnostik: Zahnärztliche Funktionsanalyse

Funktionsanalyse des Kausystems bei Verdacht auf eine Kaufunktionsstörung (CMD)

Wann ist eine Funktionsdiagnostik des Kauapparates in der Zahnarztpraxis erforderlich?

In zunehmendem Maße sind Zahnärzte und spezialisierte CMD Zahnärzte mit Kopf- und Gesichtsschmerzen und weiteren Beschwerdesymptomen konfrontiert, bei denen der Verdacht auf eine Funktionsstörung im Kausystem besteht, eine sogen. craniomandibuläre Dysfunktion (CMD).

Diagnose und Therapie von CMD sind komplex, erfordern viel Fachwissen und Erfahrung der behandelnden Zahnärzte und ihre Bereitschaft zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Ärzten und Therapeuten aller medizinischen Fachrichtungen bei Diagnostik und Behandlung.

Denn die auftretenden CMD-Symptome sind vielfältig und betreffen nicht nur den Bereich des Kopfes mit Zähnen, Kiefergelenken und Kaumuskulatur, sondern werden auch in kopffernen Bereichen an Schulter, Becken und Rücken beobachtet. Doch wird häufig der Kausalzusammenhang zwischen der Symptomatik, etwa am Bewegungsapparat, und einer Kaufunktionsstörung nicht ohne exakte zahnärztliche Funktionsdiagnostik erkannt.

Im Mittelpunkt der zahnärztlichen Diagnostik bei CMD-Verdacht steht die Funktionsanalyse, eine umfassende funktionelle Untersuchung des Kauapparates.

Patientenaufklärung: Die CMD Diagnostik beruht auf drei Säulen-Anamnese, Röntgendiagnostik sowie klinische und instrumentelle Funktionsanalyse.
Patientenaufklärung: Die CMD Diagnostik beruht auf drei Säulen-
Anamnese, Röntgendiagnostik sowie klinische und instrumentelle Funktionsanalyse.
Bildquelle: ©GZFA
 

Funktionsanalyse für die CMD-Diagnostik

Was sind funktionsanalytische und -therapeutische Maßnahmen?

Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen haben den Zweck, Störungen der Funktion der Zähne, der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur sowie der Kaubewegungen zu diagnostizieren und zu beheben.

Die zahnärztliche Funktionsdiagnostik umfasst die klinische, manuelle und instrumentelle Funktionsanalyse.

1.    Klinische und manuelle Funktionsanalyse (FAL) durch den Zahnarzt

Grundlage einer fundierten CMD-Diagnostik ist die klinische und manuelle Funktionsanalyse (FAL) durch den Zahnarzt. Diese Untersuchung umfasst Maßnahmen „ohne Einsatz von Instrumenten“:

  • Aufnahme von Krankengeschichte und Voruntersuchungen
  • Ärztliche, zahnärztliche und kieferorthopädische Vorbehandlungen
  • Dokumentation von vorhandenem Zahnersatz, Füllungen und Zahnlücken
  • Erfassung von Schmerzsymptomen und Hinweisen auf Bruxismus/Zähneknirschen
  • Erfassung von Fehlstellungen der Zähne bzw. nicht physiologischer Zahnkontakte („falscher Biss“) - z.B. gekippte Zähne
  • Untersuchen und Abtasten der Kaumuskulatur auf Asymmetrien oder Schmerzen
  • Feststellung von Kiefergelenkgeräuschen oder Einschränkungen von Kaubewegungen und Mundöffnung

Weiter überprüft der Zahnarzt, ob der Patient in der Lage ist mit geschlossenem Mund (Schlussbiss), einen gleichmäßigen Zahnkontakt bei gleichzeitig entspannten Kaumuskeln zu erreichen. Gelingt dies nicht, kann dies bereits ein Hinweis auf Vor- oder Frühkontakte sein.

Dabei gilt:
Je weiter hinten im Gebiss und je näher am Kiefergelenk solche Vorkontakte entstehen, also etwa an hinteren Backenzähnen, umso problematischer sind sie für die Kaufunktion.

Folgende Gebissveränderungen geben dem Zahnarzt bereits Hinweise auf gestörte Zahnfunktionen, z.B. durch nächtliches Pressen und Knirschen mit den Zähnen:

  • deutlich erkennbare, abgeschliffene Stellen an den Zähnen, sog. „Schlifffacetten“
  • fehlende Front- und Eckzahnspitzen mit Verlust der Front-Eckzahnführung
  • Risse im Zahnschmelz
  • Risse/Frakturen der Zähne oder an Kronen und Füllungen
  • Entzündung und/oder Rückbildung des Zahnfleischs
  • keilförmige Defekte an den Zahnhälsen

Mit der unnatürlichen Abnutzung der Zahnspitzen der oberen und unteren Vorderzähne geht auch die schützende sogen. „Front-Eckzahnführung“ verloren, was es   Betroffenen erschwert, einen entspannten und harmonischen Biss einzunehmen.

Auch Zungenimpressionen, d.h. sichtbare Zahnabdrücke auf der Zunge, können auf eine Kaufunktionsstörung hinweisen, wobei die Zunge ähnlich einer „Schutzschiene“ fungiert, um gestörte Zahnkontakte auszugleichen.

Im Rahmen der klinischen Funktionsanalyse ist auch die Abklärung der Lebenssituation des Patienten wichtig. So spielt beispielsweise neben Zahnfehlstellungen auch der Faktor Stress als CMD-Ursache eine entscheidende Rolle bei Entstehung und Entwicklung von Kaufunktionsstörungen, da auch Stress Kaumuskelverspannungen auslösen kann.

Zu den häufig von Patienten geschilderten Beschwerden gehören Kopfschmerzen, Migräne und Tinnitus oder Schmerzen im Gesicht und am Kiefer beim Aufwachen; aber auch Verspannungsschmerzen an Nacken und Schulter.

Die instrumentelle Funktionsanalyse ist eine wichtige Ergänzung der klinischen Funktionsanalyse. Im Artikulator (Kausimulator) können die Zahnkontakte und Kiefergelenkbewegungen des Patienten anhand von Modellen außerhalb des Mundes simuliert und bewertet werden.
Die instrumentelle Funktionsanalyse ist eine wichtige Ergänzung der klinischen Funktionsanalyse.
Im Artikulator (Kausimulator) können die Zahnkontakte und Kiefergelenkbewegungen des Patienten anhand von Modellen außerhalb des Mundes simuliert und bewertet werden.
Bildquelle: ©Panadent
 

2.    Instrumentelle Funktionsanalyse = Okklusionsanalyse

An die klinische Funktionsanalyse schließt sich die instrumentelle Funktionsanalyse an, bei der ein Kausimulator, der sog. Artikulator zum Einsatz kommt. Der Artikulator simuliert anhand der Modelle von Ober- und Unterkiefer des Patienten die individuellen Zahnkontakte (Okklusion) bei unterschiedlichen Kiefergelenkpositionen, ohne dass Reflexe oder Muskelspannung das Bild verfälschen.

Ziel der instrumentellen FAL ist die Ermittlung der Kontaktverhältnisse der Zähne von Ober- und Unterkiefer, die sog. Okklusion, bei physiologischer Kiefergelenkposition.

Zunächst nimmt der Zahnarzt Abdrücke zur Herstellung von hochwertigen Gipsmodellen von Ober- und Unterkiefer des Patienten. Diese Modelle werden im Artikulator zueinander positioniert, die Zähne stehen dabei in der sog. habituellen Lage, das ist die gewohnheitsmäßige Schlussbisslage.

Um die Kontaktverhältnisse der Zähne von Ober- und Unterkiefer bei physiologischer Lage der Kiefergelenke zu ermitteln, führt der Zahnarzt eine Bissnahme am Patienten durch, die sog. Tageszentrik (Zentrik-Registrat).

Das Unterkiefermodell wird anschließend mit dem Biss-Registrat zum Oberkiefermodell im Artikulator positioniert. Aus möglichen Abweichungen zwischen habitueller Position (CO) und Tageszentrik-Position (CR) lassen sich dann Fehlstellungen diagnostizieren und evtl. notwendige therapeutische Maßnahmen ableiten.

Bei der Überprüfung der Zahnkontakte muss der Zahnarzt jede Füllung, jeglichen Zahnersatz, wie eine Zahnkrone oder -brücke, etwaige kieferorthopädische Behandlungen und sogar jede Fissuren-Versiegelung genauestens untersuchen, denn diese können sich - selbst im niedrigen Millimeterbereich - als Auslöser eines Störkontakts erweisen.

Dabei gilt: Je stärker die Okklusion gestört ist, etwa durch eine zu hohe Zahnfüllung oder Zahnkrone, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Schmerzen.

CMD: Diagnose und Behandlung mit dem DROS® Schienen-Therapiekonzept.
CMD: Diagnose und Behandlung mit dem DROS® Schienen-Therapiekonzept.
Bildquelle: ©GZFA
 

Funktionsanalyse und Funktionstherapie beim DROS®-Therapiekonzept

Spezialisierte Zahnärzte und Zahntechniker wenden für die Funktionsanalyse das DROS®-Therapiekonzept an. Die diagnostische DROS®-Schiene, eine adjustierte Aufbissschiene für den Oberkiefer, ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel zur Ermittlung der Fehlfunktion von Zähnen und Kiefergelenken und zur Entspannung der Kaumuskulatur.

Mit der DROS®-Schienentherapie wird in ca. 7-10 Wochen eine maximale Entspannung der Kaumuskeln erreicht. Diese neuromuskuläre Entspannung erlaubt es gleichzeitig den Kiefergelenken, eine stabile physiologische Position einzunehmen.

Über ein diagnostisches Wax-up kann nun die ideale Lagerelation von Ober- und Unterkiefer ermittelt und entschieden werden, ob ggf. noch prothetische, kieferorthopädische oder Einschleifmaßnahmen notwendig sind, um die Funktionsstörung nachhaltig zu beheben.
 

Radiologische Diagnostik bei CMD

Magnetresonanztomographie (MRT) als ergänzendes Diagnostikverfahren

Ziel der Untersuchung des Kiefergelenks mit bildgebenden Verfahren, ist die Erfassung von klinisch vermuteten Anomalien und Funktionsstörungen. In den letzten Jahren hat sich dabei die Magnetresonanztomographie, MRT als wesentliches diagnostisches Hilfsmittel entwickelt. Sie erlaubt eine Beurteilung aller am Kiefergelenk beteiligten knöchernen Strukturen und Weichgewebe, besonders des Discus articularis, eines für die Gelenkfunktion wichtigen Faserknorpels.

Mit der MRT sind aber nicht nur Aussagen über entzündliche oder degenerative Veränderungen möglich, sondern auch über den Funktionszustand des Gelenks. Die Untersuchung ist für den Patienten nicht belastend (es kommen keine Röntgenstrahlen zur Anwendung) und ist nicht schmerzhaft.

Insbesondere die MRT des Kiefergelenks liefert ein klares Bild der individuellen Anatomie, sowie der Position der verschiedenen Strukturen innerhalb des Kiefergelenks und kann auch eine Verlagerung des Kondylus nachweisen.

Physiologische Position des Diskus artikularis: links im anatomischen Präparat, rechts im MRT.
Physiologische Position des Diskus artikularis: links im anatomischen Präparat, rechts im MRT.
Bildquelle: ©Bumann, A., Lotzmann, U., Farbatlanten der Zahnmedizin 12, Funktionsdiagnostik und Therapieprinzipien, 2000, Stuttgart
 

CMD-Diagnostik interdisziplinär

Eine umfassende CMD-Diagnostik erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen, da CMD-Beschwerden unterschiedlichste Ursachen haben können.

Aufgabe des Zahnarztes im Behandler-Team ist die Abklärung der Risikofaktoren für Kaufunktionsstörungen, die im Bereich der Zahnheilkunde liegen.

Dabei hat die Erfahrung gezeigt, dass neben ursächlich verantwortlichen Zahnfehlkontakten, auch besondere Wechselwirkungen zum Faktor Stress bestehen. Nicht ohne Grund spricht der Volksmund von „mit den Zähnen knirschen“ oder „die Zähne zusammenbeißen“. Nachgewiesen sind auch Zusammenhänge mit orthopädischen Problemen.

Daher ist es sinnvoll, bereits im Befundbogen im Laufe der klinischen Funktionsanalyse, mögliche „psycho-emotionale Stressoren“ sowie orthopädische Auffälligkeiten zu dokumentieren, um dann gezielt auch andere Fachärzte und Therapeuten wie z.B. Orthopäden und Physiotherapeuten in Diagnostik und Therapie einzubeziehen.

Bei Spannungskopfschmerzen, Migräne und Tinnitus sollten zahnärztliche Funktionsdiagnostiker immer hinzugezogen werden, denn für diese Symptome sind Zusammenhänge wissenschaftlich belegt.

Vertiefendes Fachwissen über zahnärztliche Funktionsanalyse und -therapie zur CMD-Diagnostik, muss durch Weiterbildungen erworben werden, denn die für die Patienten so bedeutsamen Themen CMD und Funktionsdiagnostik, werden während des Zahnmedizinstudiums nur unzureichend vermittelt:

Zahnärztliche Funktionsanalyse und -therapie ist ein klassisches Weiterbildungsfach der Zahnmedizin, das im Studium nur grundlegend behandelt wird.

Statement der Universität Greifswald
 

Werden die Kosten für Funktionsanalyse und -therapie erstattet?

Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen gehören nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Bei privat versicherten Patienten sind sie- je nach Tarif- im Versicherungsschutz eingeschlossen. Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist der Nachweis für die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahmen.

Um sich gegen hohe Eigenkosten für die zahnärztliche Funktionsanalyse abzusichern, empfiehlt sich der frühzeitige Abschluss einer Zahnzusatzversicherung für Funktionsdiagnostik.
 

Zahnärztliche Funktionsdiagnostik ist Prävention

Die Erstattungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen ist nicht nachvollziehbar, tragen funktionsdiagnostische und -therapeutische Maßnahmen doch in hohem Maße zur CMD-Prävention bei, indem sie Spätschäden an den Kiefergelenken vorbeugen und den Patienten gesundheits- und geldraubende Arzt-Odysseen ersparen helfen.

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