Gnathologie: Funktionsdiagnostik für das Kausystem

Untersuchung und Behandlung des Kauapparates durch den Zahnarzt

Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten der Gnathologie

Gnathologie ist ein Teilbereich in der Zahnheilkunde, der sich mit der Kiefergelenk-Diagnostik und Kiefergelenk-Therapie beschäftigt. Zahnärztliche Gnathologen, CMD-Zahnärzte bzw. auf Funktionsanalyse spezialisierte Zahnmediziner untersuchen das Zusammenspiel von Zähnen, Kaumuskeln und Kiefergelenken. Das Hauptaugenmerk richten sie auf die Okklusion, die harmonische Verzahnung von Ober- und Unterkiefer und behandeln bei Bedarf das gesamte Kausystem.

Mit Hilfe der Funktionsdiagnostik werden Schweregrad von Dysfunktionen des Kauapparates aufgezeigt und deren Ursachen ermittelt. Eine Fehlfunktion des Kiefers geht häufig mit unterschiedlichen Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) einher. Zu den häufigsten CMD-Symptomen gehören u. a. Bruxismus (auch Wachbruxismus), Zähneknirschen, Kiefergelenkgeräusche, Kopfschmerzen, Nacken- und Schulterverspannungen und Rückenschmerzen. Weitere CMD-Symptome können sich u. a. durch Schwindel, Tinnitus, Schluckbeschwerden, Schlafstörungen oder Migräne äußern. CMD ist heutzutage so weit verbreitet, dass man von einer Volkskrankheit spricht.

Am Schädelmodell werden die Bissverhältnisse in Bezug zur Position der Kiefergelenke mittels Kausimulator (Artikulator) dargestellt.
Am Schädelmodell werden die Bissverhältnisse in Bezug zur Position der Kiefergelenke mittels Kausimulator (Artikulator) dargestellt.
Bildquelle: ©Panadent
 

Komplexität des Kausystems und harmonische Okklusion

Die menschlichen Kiefergelenke und der gesamte Kauapparat haben einen sehr komplexen Aufbau.
Das Kausystem bildet mit Zähnen, Kieferknochen und Kiefergelenken, Muskeln, Bändern, und Nervenbahnen bzw. neurophysiologischer Steuerung eine Einheit. Jeder Teilbereich hiervon hat spezielle Aufgaben und interagiert miteinander. Gleichzeitig steht das Kausystem über anatomische Strukturen und neuromuskuläre Wechselwirkungen mit dem gesamten Körper in Verbindung.

Ist die Verzahnung zwischen den Zähnen des Oberkiefers und des Unterkiefers gestört – man nennt dies auch Okklusionsstörung - kann dies Kiefergelenkbeschwerden nach sich ziehen. Bereits kleinste Abweichungen vom harmonischen Biss können langfristig negative Auswirkungen auf die Zahngesundheit und die allgemeine Gesundheit haben und sich mit einer CMD auf vielfältige Weise äußern. Umgekehrt können die Kiefergelenke ein Leben lang fast verschleißfrei funktionieren, wenn eine optimale Okklusion vorliegt.

Leider haben die wenigsten Menschen jedoch von Geburt an ein perfektes Gebiss. Selbst wenn in der Jugend eine kieferorthopädische Maßnahme (Einsatz einer Zahnspange zur Korrektur von Zahnfehlstellungen) durchgeführt wurde, ist dies noch kein Garant für eine lebenslange harmonische Okklusion: Die Zähne können sich im Laufe des Lebens verändern, z. B. durch Zahnerkrankungen, Parodontitis, Zahnverlust, notwendige Füllungen, Kieferschwund, Zahnunfälle, Zahnwanderungen, durchbrechende Weisheitszähne etc. All diese Faktoren können den Biss negativ beeinflussen.

Untersuchung und Behandlung des Kauapparates durch den CMD-Zahnarzt.
Untersuchung und Behandlung des Kauapparates durch den CMD-Zahnarzt.
Bildquelle: ©GZFA
 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Gnathologie

Eine Kiefergelenkstörung bzw. eine Kiefergelenk-Behandlung sollte man niemals isoliert sehen: Der ganzheitliche Ansatz und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Funktionsdiagnostikern bzw. Funktionstherapeuten, CMD-Zahnärzten und Haus- und Fachärzten und Spezialisten wie Orthopäden, Neurologen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten, Osteopathen, Psychologen etc. sind wichtig, um Patienten und Patientinnen, die von CMD betroffen sind, nachhaltig zu therapieren.
 

Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es zur Untersuchung des Kausystems?

Neben der sehr schnellen und einfachen Prüfung beim Zahnarzt mit dem sogenannten Biss-Check mit zwei Holzspateln oder einer Bissfolie steht eine umfassende Funktionsanalyse (FAL) zur Untersuchung des Kauapparates zur Verfügung. Die Funktionsdiagnostik besteht aus der klinischen, manuellen und instrumentellen Funktionsanalyse. Funktionsdiagnostik ist komplett schmerzfrei.

Zunächst werden die Krankenvorgeschichte, Schmerzsymptome, bereits durchgeführte Untersuchungen und eventuelle ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen abgefragt. Ebenso wird der Zahnstatus wie z. B. vorhandener Zahnersatz, Abrasion, Fehlstellungen oder Zahnlücken dokumentiert. Nach der Anamnese wird vom Funktionstherapeuten oder CMD-Zahnarzt zunächst eine Untersuchung ohne Instrumente durchgeführt. Dabei wird die Kaumuskulatur abgetastet und festgestellt, ob Kiefergelenkgeräusche, Asymmetrien oder Einschränkungen bei der Mundöffnung oder beim Kauen vorliegen. Ebenfalls wird geprüft, ob Hinweise auf Vor- oder Frühkontakte vorhanden sind.

Sind z. B. abgeschliffene Stellen, Risse oder Frakturen im Zahnschmelz, fehlende Front-Eckzahnführung, Entzündungen oder Rückbildung des Zahnfleisches oder keilförmige Defekte an den Zahnhälsen erkennbar, deutet dies auf ein gestörtes Kausystem hin. Eine mögliche Ursache ist Bruxismus. Da nächtliches Zähneknirschen und Zähnepressen (Bruxismus) und infolgedessen die CMD Symptome häufig durch Stress verstärkt werden, ist es für den behandelnden CMD Zahnarzt oder Funktionsdiagnostiker wichtig, auch die Lebenssituation und -weise zu berücksichtigen.

Für die instrumentelle Funktionsanalyse bzw. eine gnathologische Vermessung werden neben bildgebenden Verfahren wie digitale Volumentomografie (DVT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) auch Modelle des Ober- und Unterkiefers aus Gips angefertigt. Diese Gipsmodelle werden in einen Kausimulator eingesetzt, den sogenannten Artikulator, der die Kaubewegungen nachstellt. Dabei wird die Okklusion geprüft. Das bedeutet, dass die Kontaktverhältnisse zwischen den Zähnen des Oberkiefers und des Unterkiefers in der gewohnheitsmäßigen Schlussbisslage ausgewertet werden. Im Artikulator hat der CMD-Zahnarzt von allen Seiten eine perfekte Sicht auf das Gebiss.

Kiefergelenk-Behandlung durch einen CMD-Zahnarzt mit der DROS® Schiene.
Kiefergelenk-Behandlung durch einen CMD-Zahnarzt mit der DROS® Schiene.
Bildquelle: ©GZFA
 

Behandlung des Kauapparates bei Kiefergelenkstörungen

Das Ziel einer Kiefergelenk-Behandlung durch einen CMD-Zahnarzt ist die Herstellung oder Wiederherstellung des sogenannten eugnathen Kausystems. Das bedeutet: Die Okklusion und die Kiefergelenkposition werden so beeinflusst, dass dadurch eine harmonische Bisslage und eine Entspannung der gesamten Kaumuskulatur entstehen. Alle beteiligten Strukturen des Kauapparates wie Zähne, Zahnhalteapparat, Kaumuskulatur und Kiefergelenke bilden eine perfekt funktionierende Einheit. Zum Einsatz kommen Zahnschienen als Okklusions- und Entspannungsschienen.

Zur Behandlung von Kaufunktionsstörungen wie Bruxismus und CMD hat sich die DROS® Schienentherapie als erfolgreich erwiesen. Die individuell angefertigte DROS® Oberkiefer-Aufbissschiene wird sowohl diagnostisch als auch ursächlich-therapeutisch eingesetzt. Die DROS® Behandlung ist standardisiert, kann ausschließlich von zertifizierten Zahnärzten angewandt werden und dauert ca. sieben Wochen. Sofern es notwendig wird, können sich nach der DROS® Schienen-Behandlung weitere Maßnahmen anschließen. Hierzu zählen z. B. Lückenschluss durch Implantation, kieferorthopädische Maßnahmen, Einsetzen von Zahnkronen oder -brücken, Restaurierung eines Abrasionsgebisses oder Nachbearbeiten von zu hohen Füllungen.

Begleitend zu einer zahnärztlichen Behandlung des Kausystems können Kiefergymnastik-Übungen Verspannungen lindern, die Muskulatur lockern und Lymphabfluss fördern. Erfahrene Physiotherapeuten und Osteopathen beraten individuell und geben Hinweise zur Durchführung der Übungen, die dann auch zu Hause durchgeführt werden können. Ebenfalls sind alle Entspannungsmethoden zur Stressreduzierung sinnvoll.
 

Welche Rolle spielt die Gnathologie in der zahnärztlichen Behandlung?

Häufig wird die Bedeutung der Gnathologie – sowohl in der Prävention von CMD als auch bei der Therapie von Kiefergelenkstörungen, bei kieferorthopädischen Behandlungen oder beim Anfertigen von Zahnersatz – unterschätzt. Bereits minimale Abweichung von der optimalen Okklusion um Zehntel-Millimeter können mittel- und langfristig erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auf Zähne, Kiefergelenke und Allgemeingesundheit haben. Die Gnathologen und CMD Zahnärzte kennen die feinen Mechanismen, auf die es ankommt, um das Kausystem als gesamte Einheit zu verstehen und zu schützen.

Die Herstellung von Zahnersatz wie Kronen, Brücken, Prothesen und der Einsatz von Implantaten sollten grundsätzlich unter gnathologischen Gesichtspunkten erfolgen. Die optimale Position der Kaufflächen zueinander und die Kräfte- und Druckverhältnisse beim Kauen, Sprechen, Schlucken und Lachen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit des gesamten Kausystems. Das gleiche gilt für kieferorthopädische Behandlungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Deshalb ist die Funktionsanalyse (FAL) als diagnostisches Instrument eine wichtige Voraussetzung, um langfristigen Behandlungserfolg bei kieferorthopädischen Behandlungen und für festsitzenden und herausnehmbaren Zahnersatz in der rekonstruktiven Zahnheilkunde zu sichern. Darüber hinaus ist die Funktionsdiagnostik für die Behandlung von CMD und den damit verbundenen CMD Symptomen wie z. B. Bruxismus, Rückenschmerzen, Tinnitus, Migräne, Nacken- und Schulterverspannungen, Schlafstörungen, Schwindel von grundlegender Bedeutung für die Allgemeingesundheit.

Damit sind CMD-Zahnärzte und CMD-Zahnärztinnen als Gnathologen und Funktionsdiagnostiker wichtige Ansprechpartner in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Haus- und Fachärzten, Osteopathen und Physiotherapeuten.

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