Parodontitis und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit

10. März 2022
Parodontologie

Parodontitis und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit


Parodontitis – eine unterschätzte Volkskrankheit mit schwerwiegenden Folgen

Parodontitis – tödliche Kettenreaktion durch Bakterien bis zum Herz?

Die Zahngesundheit und die Allgemeingesundheit sind untrennbar miteinander verbunden, denn Mundraum und Körper stehen in unmittelbarer Wechselwirkung zueinander. Kranke Zähne und Entzündungsherde in der Mundhöhle und in der Kieferregion können andere Organe im Körper schwer schädigen, wobei Parodontitis als weit verbreitete Zahnbetterkrankung besondere Gefahren birgt. Das Spektrum reicht von akuten Allgemeinerkrankungen über chronische Erkrankungen bis hin zu einem erhöhten Risiko für Frühgeburten bei Schwangeren. Auch umgekehrt können allgemeine Erkrankungen und deren medikamentöse Behandlungen das Karies- und Parodontitis-Risiko erhöhen. Damit leisten Prävention und Behandlung der Parodontitis einen wichtigen Beitrag für die Gesamtgesundheit.

Laut der World Health Organization (WHO) stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt als Todesursache in Industrienationen auch heute noch an erster Stelle. Gleichzeitig ist Parodontitis die sechsthäufigste Entzündung im Körper. Gemeinsame Risikofaktoren wie z. B. Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Bewegungsarmut, Alkoholkonsum, Übergewicht und Stress erhöhen bei beiden Erkrankungen das Krankheitsrisiko. Inzwischen ist ebenfalls wissenschaftlich anerkannt, dass Parodontitis als chronische Entzündung mit einer erhöhten Gefahr für Herz- und Kreislauferkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt verbunden ist oder deren Verlauf negativ beeinflussen kann.

Parodontitis und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit - eine unterschätzte Volkskrankheit.
Parodontitis und Wechselwirkungen zur Allgemeingesundheit - eine unterschätzte Volkskrankheit.
Bildquelle: ©GZFA
 

Volkskrankheit Parodontitis

Parodontitis (früher auch als Parodontose bezeichnet) ist weit verbreitet, man spricht deshalb von einer Volkskrankheit. Ab dem 40. Lebensjahr ist Parodontitis die häufigste Ursache von Zahnverlust. Schätzungsweise ist die Hälfte der Erwachsenen von dieser ernstzunehmenden Zahnbetterkrankung betroffen. Viele Patienten und Patientinnen wissen allerdings leider nicht einmal, dass sie darunter leiden, denn die Entzündung des Zahnfleisches bzw. des Zahnbetts ist anfänglich meist schmerzfrei. Sie äußert sich zunächst mit Gingivitis (Zahnfleischentzündung). Blutendes, geschwollenes und gerötetes Zahnfleisch sind erste Anzeichen.

Im fortgeschrittenen Stadium können Symptome wie Zahnfleischrückgang, Mundgeruch, unangenehmer Geschmack im Mund und Eiteraustritt auftreten. Auch empfindliche und schmerzende Zahnhälse können Begleiterscheinungen sein, denn kleinste Dentinkanäle liegen durch die Rückbildung des Zahnfleisches frei und reagieren bei heißen oder kalten Speisen mit Schmerzen.

Unbehandelt setzt sich die Entzündung fort und kann auf den Kieferknochen übergehen, so dass dieser sich abbaut. Als Folge lockern sich die Zähne, die den Halt verlieren und verloren gehen können. Parodontitis hat jedoch nicht nur negative Auswirkungen auf die Ästhetik und die Mundgesundheit, sondern der entzündliche Prozess kann schlimmstenfalls tödliche Auswirkungen haben, weil sich damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
 

Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bei jedem Menschen sind Bakterien in der Mundhöhle vorhanden. Solange sich diese in einem gesunden Gleichgewicht befinden, ist alles in Ordnung. Kommt es zu einem Ungleichgewicht, z. B. durch unzureichende Mund- und Zungenhygiene, nehmen schädliche Bakterien überhand, die aggressive Stoffwechselprodukte ausscheiden. Bakterielle Zahnbeläge – auch Plaque genannt – lagern sich auf den Zähnen ab und können auch unter den Zahnfleischrand vordringen. Der Körper reagiert mit einer Entzündung, was chronisch werden kann. Je tiefer die Zahnfleischtaschen, desto weiter fortgeschritten ist die Erkrankung des Zahnhalteapparates, die auf den Kieferknochen übergehen kann.

Bereits bei alltäglichen Aktionen wie Kauen oder Zähneputzen können die Bakterien in die Blutbahnen übertreten und sich im Körper verbreiten, aber auch bei einer zahnärztlichen Behandlung. Den Übertritt von Bakterien in die Blutbahn bezeichnet man als Bakteriämie. In der Blutbahn haben diese aggressiven Bakterien aber nichts verloren, denn sie verändern die Struktur der Blutgefäß-Innenwände und erhöhen das Risiko für akutes Infarktgeschehen.

Parodontitis – tödliche Kettenreaktion durch Bakterien bis zum Herz?
Parodontitis – tödliche Kettenreaktion durch Bakterien bis zum Herz?
Bildquelle: ©GZFA
 

Parodontitis und Atherosklerose

Entzündliche Prozesse können laut der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie mit der Entstehung von atherosklerotischer Gefäßveränderungen und deren Folgen zusammenhängen. Atherosklerose (früher nannte man dies Arteriosklerose) ist eine Systemerkrankung der Arterien (Schlagadern), die durch innere Ablagerungen Engstellen bilden. Im Volksmund spricht man von „verkalkten“ Arterien. Dies ist jedoch medizinisch nicht ganz korrekt, denn die Ablagerungen bestehen neben einer geringen Kalkmenge hauptsächlich aus Blutfetten, Thromben und Bindegewebe.

Die Innenwände der Arterien verändern sich, was eine wahre Kettenreaktion nach sich zieht: Die Elastizität der Blutgefäße sinkt bei Patienten und Patientinnen mit Parodontitis, wie Wissenschaftler der Würzburger Universität mit modernsten Messmethoden nachgewiesen haben. Die Gefäße werden starrer und steifer, was mit einem vorzeitigen Alterungsprozess vergleichbar ist. Der Gefäßdurchmesser verkleinert sich durch die Ablagerungen, was zu einem geringeren Blutdurchfluss (und damit schlechterer Sauerstoffversorgung) und erhöhtem Gefäßwiderstand führt. Als Folge hiervon ist das Herz stärker belastet. Außerdem können sich Ablagerungen lösen und feinere Gefäße durch Verklumpungen verschließen, was man als Embolie bezeichnet. Durch Embolien können Körperregionen von der Durchblutung abgetrennt werden, was schwerwiegende bis lebensbedrohliche Folgen haben kann.

Die Bakterien können auch bis ins Herz vordringen. Bei Patienten und Patientinnen mit einer entsprechenden Veranlagung können die Bakterien eine Herzinnenhautentzündung, eine sogenannte Endokarditis, auslösen. Im Anfangsstadium sind – wie auch bei Parodontitis - zunächst keine akuten Beschwerden vorhanden, was die Erkrankung umso gefährlicher macht, weil sie sich schleichend verstärkt.
 

Künstliche Herzklappen und Zahnstatus

Immer mehr Menschen werden chirurgisch oder minimalinvasiv mit einer biologischen Herzklappe versorgt, an welcher sich ebenfalls Bakterien ansiedeln können. Vor dem Eingriff sollte deshalb der Zahnstatus erhoben werden, vor allem um zu prüfen, ob eine Entzündung in der Mundhöhle z. B. durch Parodontitis vorliegt. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahn- oder Fachzahnarzt und Kardiologe oder Herzchirurg wird dringend empfohlen.

Es gilt abzuwägen, ob möglicherweise vor der Herzklappen-Operation eine Zahnsanierung bzw. Parodontitis-Behandlung oder eine Entfernung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen oder Zahnwurzeln notwendig wird, um Entzündungen vorab zu heilen bzw. auszuschließen. Eine allgemeingültige Aussage kann hier nicht getroffen werden, denn eine individuelle Empfehlung kann nur nach eingehender Diagnose und Abwägung aller Risiken von den Behandlern ausgesprochen werden. Der Zahnstatus sollte jedoch als Vorbereitung auf die Herzoperation immer berücksichtigt werden.
 

Herz- und Blutdruck-Medikamente können Mundschleimhäute beeinflussen

Verschiedene Medikamente, die zur Behandlung von Bluthochdruck oder Herzerkrankungen eingesetzt werden, können als Nebenwirkung die Austrocknung der Mundschleimhäute nach sich ziehen. Der Speichelfluss hat die natürliche Aufgabe, den Mundraum zu spülen und damit zu reinigen. Weniger Speichelfluss bedeutet, dass sich Bakterien leichter ansiedeln können. Damit steigt das Risiko einer Zahnbetterkrankung wie Gingivitis, Parodontitis bzw. Periimplantitis.
 

Professionelle und häusliche Mundhygiene senken Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Neben einem gesunden Lebensstil mit z. B. ausgewogener Ernährung, ausreichender Bewegung und Verzicht auf Nikotin senkt ein gesunder Kauapparat das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden. Einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung des Mundraums kann jeder durch akribische Mund- und Zungenhygiene zu Hause leisten. Dazu gehören regelmäßiges Zähneputzen mindestens zwei Mal täglich, die Verwendung von Zahnseide oder Dentalbürsten zur Reinigung der Zahnzwischenräume und das gründliche Reinigen der Zungenoberfläche mit einem Zungenreiniger.

Die häusliche Mundpflege sollte durch ca. halbjährliche Kontrolltermine in der Zahnarztpraxis und Termine zur Professionellen Zahnreinigung ergänzt werden. Hier werden weiche Zahnbeläge und Zahnstein (Konkrement) entfernt. Sinnvoll ist es auch, regelmäßig den sogenannten PSI (Parodontal Screening Index) zu dokumentieren. Hier werden Messungen der Zahnfleischtaschen vorgenommen und zusammen mit evtl. auftretenden Blutungen dokumentiert. So können Veränderungen sofort erkannt und entsprechende Parodontalbehandlungen eingeleitet werden. Im Anfangsstadium ist eine Gingivitis durch verbesserte Mundhygiene noch gut in den Griff zu bekommen und ein chronischer Entzündungsherd im Mund kann vermieden werden.
 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Parodontitis bzw. Periimplantitis haben die gleichen Risikofaktoren wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Alkohol- und Nikotinkonsum, Stress etc. Deshalb sollte keine der Erkrankungen isoliert betrachtet werden. Eine starke Parodontitis kann auch auf eine Herzerkrankung hinweisen.

Eine ganzheitliche Herangehensweise in der Diagnostik und Therapie ist sowohl in der Allgemeinmedizin als auch in der Zahnheilkunde gefragt, um Krankheitsursachen zu lokalisieren. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahn- oder Fachzahnarzt (z. B. Parodontologe oder Mundchirurg) und Ärzten und Ärztinnen diverser Fachrichtungen wie z. B. Allgemeinarzt, Kardiologe, Herzchirurg, Neurologe oder Gefäßspezialist ist entscheidend, um Risiken zu verringern und nachhaltigen Behandlungserfolg zu sichern.


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