Befundung in der Kieferorthopädie

Häufige Zahn- und Kieferfehlstellungen

Was sind Zahnfehlstellungen?

Normalerweise überlappen in einem regulären Gebiss die oberen Schneidezähne die unteren in vertikaler Weise um etwa ein bis drei Millimeter. Wenn im Ober- oder Unterkiefer ein oder mehrere Zähne nicht richtig angeordnet sind, spricht man von einer Zahnfehlstellung (dentoalveoläre Dysgnathie). Zähne können z. B. gekippt oder gedreht sein. Wenn sie an einer Stelle herauswachsen, die hierfür nicht vorgesehen ist, dann nennt man dies verlagerte Zähne.

Wenn Essen, Sprechen und die Zahnreinigung durch Zahnfehlstellungen nicht beeinträchtigt sind, wie z. B. bei nur leicht ungeraden Schneidezähnen, dann liegt ein rein ästhetisches – und kein medizinisches – Problem vor. Allerdings können bereits kleine Abweichungen von der Idealstellung funktionale Einschränkungen mit sich bringen und sollten in der Praxis für Kieferorthopädie untersucht werden. Zahnfehlstellungen sind außerdem mit einem erhöhten Risiko für Parodontitis und Karies verbunden, da manche Stellen im Gebiss mit Zahnbürste und Zahnseide schwieriger zu reinigen sind.

Häufiger Befund in der Kieferorthopädie: Zahnfehlstellungen mit Kreuzbiss.
Häufiger Befund in der Kieferorthopädie: Zahnfehlstellungen mit Kreuzbiss.
Bildquelle: ©GZFA

 

Was versteht man unter Kieferfehlstellung?

Von einer Kieferfehlstellung (skelettale Dysgnathie) spricht man, wenn die Form von Ober- oder Unterkiefer beeinträchtigt ist. Der Oberkiefer kann z. B. zu schmal sein oder die Lage von Ober- und Unterkiefer oder deren Größe passen nicht ordnungsgemäß zueinander. Das kann durchaus Schmerzen verursachen und zu einer frühzeitigen Abnützung der Zähne und Beschädigung der Kiefergelenke führen. Außerdem verschieben sich durch eine Kieferfehlstellung manchmal die Gesichtsproportionen.
 

Korrelation zwischen Zahn- und Kieferfehlstellungen

Kieferfehlstellungen ziehen meist eine Fehlstellung der Zähne mit sich. Umgekehrt können die Zähne jedoch Fehlstellungen aufweisen, obwohl Ober- und Unterkiefer von der Größe und Lage her zueinander passen. Allerdings können falsch platzierte oder schief stehende Zähne während des Wachstums die Kieferentwicklung negativ beeinflussen und eine Kieferfehlstellung verursachen.
 

Welche sind die häufigsten Kiefer- und Zahnfehlstellungen?

Anomalien von Zähnen und Kiefer sind sehr vielfältig und können unterschiedliche Ursachen haben. Oft treten Stellungsfehler kombiniert auf und sind sowohl von erblichen als auch von äußeren Faktoren geprägt (wie z. B. Daumenlutschen, früher Verlust von Milchzähnen oder Verlust von bleibenden Zähnen).
 

Zahnengstand bzw. Schmalkiefer

Von einem Zahnengstand spricht man, wenn die Zähne aufgrund Platzmangels im zu schmalen Kiefer nicht gleichmäßig aneinander gereiht stehen können. Sie sind meist verdreht, schieben sich teilweise über- bzw. hintereinander und sind richtig miteinander verschachtelt. Der Kiefer kann kieferorthopädisch geweitet werden. Es ist Ermessenssache des Kieferorthopäden und des Patienten, ob gesunde Zähne gezogen werden sollten. Hierbei ist das Ziel, Platz zu schaffen, um den Gesamtzustand des restlichen Gebisses zu verbessern bzw. die restlichen Zähne langfristig zu erhalten.

Je nach Ausprägung des Zahnengstandes können die Zahnzwischenräume nicht richtig gereinigt werden. Das erhöht die Kariesgefahr und das Risiko, an Parodontitis zu erkranken. Auch werden Zähne oft ungleich und relativ stark abgenutzt.
 

Überbiss

Wenn die oberen Schneidezähne deutlich den Unterkiefer überragen, spricht man von einem Überbiss. Erbanlagen – aber vor allem Daumenlutschen – verursacht diese Zahnfehlstellung. Als Therapie kommen herausnehmbare Zahnspangen oder auch festsitzende Zahnspangen in Betracht, in Einzelfällen auch ein chirurgisches Vorgehen.
 

Rückbiss

Als Rückbiss bezeichnet man eine relativ häufige Fehlstellung des Gebisses, bei dem der Unterkiefer zu weit hinten liegt. Damit entsteht eine große Stufe zwischen den oberen und unteren Schneidezähnen. Das Verletzungsrisiko steigt, wenn die Unterkieferzähne die oberen nicht abstützen können und die Lippen nicht schützend über den Zähnen liegen. Außerdem können die im Unterkiefer liegenden Schneidezähne in den Gaumen hineinwachsen und die Schleimhaut verletzen.
 

Deckbiss

Der Deckbiss stellt eine spezielle Form des Rückbisses dar. Typisch für diese Zahnfehlstellung ist, dass ein Teil der Frontzähne im Oberkiefer nach innen (zurück) kippen, der andere Teil nach vorne. Ein tiefer Biss kann die Folge sein. Das bedeutet, dass die Unterkiefer-Schneidezähne in den Gaumen wachsen und die Gaumenschleimhaut verletzen können. Das allgemeine Verletzungsrisiko ist auch z. B. bei Spiel und Sport hoch, da die Zähne nicht – wie üblich – von der schützenden Lippe bedeckt sind. Zudem werden die Zähne übermäßig abgenutzt und kürzer. Aus dem Deckbiss kann sich ein Zwangsbiss entwickeln mit negativen Auswirkungen auf die Kiefergelenke.
 

Der retrale Zwangsbiss

Hier kommt es zu einer Funktionsstörung zwischen Zahnstellung und Kiefergelenkposition. Denn die stark nach innen (zurück) gekippten Frontzähne zwingen den Unterkiefer dazu, beim Zusammenbeißen nach retral, d.h. nach hinten oben, auszuweichen. Beim Zusammenbeißen bzw. beim Kauen muss der Unterkiefer also zwanghaft weiter nach hinten geführt werden. Das harmonische Zusammenspiel von Ober- und Unterkiefer ist damit gestört, wobei die beteiligten Kaumuskeln versuchen, sich an die Situation anzupassen bzw. diese auszugleichen. Gelingt dies nicht mehr, kommt es zu massiven Muskelverspannungen mit Kompression und Schädigung des Kiefergelenks. Man spricht von einer Myoarthopathie, einer Erkrankung der Kaumuskulatur mit Beteiligung der Kiefergelenke.

Befundung in der Kieferorthopädie: Zahnfehlstellungen wie Deckbiss oder Kreuzbiss können CMD-Symptome auslösen.
Befundung in der Kieferorthopädie: Zahnfehlstellungen wie Deckbiss oder Kreuzbiss können CMD-Symptome auslösen.
Bildquelle: ©GZFA

 

Damit liegt eine schwere Fehlfunktion im Kausystem, eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) vor. Die Folgen sind Knacken der Gelenke und Muskelverspannungen im Nacken- und Schulterbereich, was oft mit starken Schmerzen einhergeht. Unterschiedlichste Krankheitssymptome (z. B. Schwindel, Tinnitus, Gesichtsschmerzen, Taubheitsgefühl der Zunge, Schluckbeschwerden etc.), die oft nicht sofort mit dem Kausystem in Verbindung gebracht werden können, resultieren aus dieser Fehlfunktion durch einen Zwangsbiss.

Abhilfe kann ein CMD-Behandlungskonzept durch kieferorthopädische und funktionstherapeutische Maßnahmen schaffen, meist in Verbindung mit einer Schienentherapie.
 

Offener Biss

Ein offener Biss ist eine extreme Fehlstellung, bei der sich die oberen und unteren Schneidezähne sogar im zusammengebissenen Zustand nicht berühren. Bei schweren Fällen ist der Kieferknochen stark verformt. Der Patient leidet unter starken funktionellen Einschränkungen beim Abbeißen, Kauen und Sprechen. Gleichzeitig werden die Zähne, die Kontakt haben und deshalb die Kaufunktion übernehmen, stark abgenutzt. Außerdem werden die Kiefergelenke fehlbelastet, so dass es zu Kiefergelenkbeschwerden bzw. einer craniomandibulären Dysfunktion mit vielfältigen Symptomen führen kann.

Ein offener Biss kann von Daumenlutschen oder zu langem Gebrauch von Nuckeln kommen. Es gibt auch Zusammenhänge mit Mundatmung und Zungenfehlfunktion. Ein offener Biss ist mit chirurgischen Eingriffen kieferorthopädisch behandelbar. Auch festsitzendende Apparaturen, wie Brackets kommen zum Einsatz.
 

Kreuzbiss

Die Unterkieferbackenzähne beißen beim seitlichen Kreuzbiss über die Oberkieferbackenzähne. Man spricht beim Kreuzbiss auch von einer Fehlverzahnung. Wenn dies nur einseitig vorkommt, kann der Kreuzbiss unbehandelt zu einem schiefen Gesicht führen. Die Zähne greifen nicht ordnungsgemäß ineinander. Durch die daraus resultierende Fehlfunktion des Gebisses findet nicht nur eine starke Abnutzung statt, sondern der Unterkiefer wird zu einem Fehlbiss gezwungen. Das kann zu einer permanenten Überbelastung des Kiefergelenks führen und könnte mit erheblichen Schmerzen, Knacken und weiteren Symptomen einer craniomanidibulären Dysfunktion verbunden sein.

In der Wachstumsphase bestehen gute Korrekturchancen mit Zahnspangen.
 

Diastema

Unter Diastema versteht man eine deutliche Lücke - meist im Oberkiefer - zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. Das meist rein ästhetische Problem lässt sich durch eine kieferorthopädische Behandlung beheben. Ebenso eignen sich die im Dentallabor individuell angefertigten Veneers hervorragend, um die Ästhetik zu verbessern und die Lücke zwischen den Schneidezähnen dauerhaft zu schließen.
 

Protrusion

Wenn Frontzähne nach vorne herauskippen und damit in einem anderen Winkel zum Kiefer stehen als normal, nennt man das bialveoläre Protrusion. Häufig kommt es bei Erwachsenen im Verlauf einer fortgeschrittenen Parodontitis mit bereits erfolgtem Knochenrückgang zu einer derartigen Zahnfehlstellung. Der geschwächte Zahnhalteapparat lässt die Veränderungen zu.

Bei einem kieferorthopädischen Eingriff müssen dann die Backenzähne nach hinten bewegt werden, um die Frontzähne wieder richtig im Kieferknochen zu positionieren. Manchmal müssen auch gesunde Zähne gezogen werden.
 

Verlagerte Zähne (Retention)

Wenn Zähne im Kiefer zwar vorhanden sind, aber dort liegen bleiben und nicht zeitgerecht durchbrechen, spricht man von einer Zahnverlagerung oder einer Retention. Am häufigsten werden die Weisheitszähne im Kieferknochen zurückgehalten, aber auch die oberen Eckzähne oder die unteren und oberen kleinen Backenzähne (Prämolaren) können hiervon betroffen sein. Platzmangel oder eine abwegige Lage des Zahnkeims können die Retention auslösen.

Die im Kiefer verlagerten Zähne sind nicht nutzbar bzw. sie können sogar ungünstige Einflüsse auf die Nachbarstrukturen ausüben. Häufig werden die Weisheitszähne oder andere verlagerte Zähne operativ entfernt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, den Zahnkeim freizulegen und den Zahn anschließend kieferorthopädisch in den Zahnbogen zu führen.
 

Fehlende Zähne / Nichtanlage von Zähnen

Manchmal fehlen bleibende Zähne im Gebiss komplett, am häufigsten sind das die unteren kleinen Backenzähne oder die oberen seitlichen Schneidezähne, aber auch andere Zähne können betroffen sein. Genetische Faktoren, eine Lippen-Gaumen-Spalte oder Entwicklungsstörungen können u.a. die Ursachen hierfür sein.

Eine Zahnlücke ist kein rein ästhetisches Problem. Nach dem Ausfallen der Milchzähne entsteht bei einer Nichtanlage von bleibenden Zähnen eine Lücke, die sich nicht von selbst schließt. Das kann die Stellungen von Nachbarzähnen beeinflussen, Zähne können sogar wandern. Ein kieferorthopädischer Lückenschluss ist möglich durch das Aufrücken aller der Lücke angrenzenden Seitenzähne. Hochwertiger und individuell angefertigter Zahnersatz mit Zahnimplantaten ist zum prothetischen Lückenschluss ebenfalls geeignet, um Funktionalität und Ästhetik der Zähne komplett wiederherzustellen.
 

Überzählige Zähne

In seltenen Fällen liegen weitere Zähne im Kiefer oder im Gaumen bereit. Sie können die anderen Zähne beim Durchbruch behindern und sollten in diesem Fall chirurgisch entfernt werden.

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