Die Ursachen akuter und chronischer Kopf- und Gesichtsschmerzen sind vielfältig und oft schwer durchschaubar. Dies macht eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller medizinischen Fachbereiche unerlässlich. Bei der Diagnostik und Therapie von Kopf- und Gesichtsschmerzen muss dabei laut Prof. Dr. Meyer das Fachgebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit einbezogen werden. Denn Wechselbeziehungen zwischen CMD und unspezifischen Kopfschmerzen, Spannungskopfschmerzen und Trigeminusneuralgien sind seit langem wissenschaftlich eindeutig belegt.
Grundlage für eine CMD ist immer eine muskuläre Verspannung der Kau, - Kopf- oder Gesichtsmuskulatur. Hauptrisikofaktoren für eine verkrampfte, verspannte Muskulatur sind aus Sicht der Zahnmedizin psychoemotionaler Stress („mit den Zähnen knirschen“) und/oder Okklusionsstörungen.
Die Therapie von Okklusionsstörungen gehört in die Hände des Zahnarztes! In diesem Sinne ist der Zahnarzt ein „Okklusionstherapeut“.
Okklusionsstörungen können entstehen u.a. durch Zähneknirschen, Bruxismus, Zahnlücken, nicht perfekt angepasste Füllungen und Brücken oder kieferorthopädische Fehlregulierungen.
Bemerkenswert dabei ist, dass bereits eine einzige nicht passende Kaufläche schon zu einer Irritation der Biomechanik führen kann mit möglicher Kompression des contralateralen Kiefergelenks und Schmerzauslösung.
Dies bedeutet, dass auch eine insuffiziente zahnärztliche oder kieferorthopädische Behandlung zum „Risikofaktor für CMD“ werden kann!
Über neuromuskuläre Mechanismen kommt es aufgrund der Malokklusion zu einer Inkoordination der Muskelaktivitäten durch das ZNS. Die Folgen sind muskuläre Hyperaktivitäten, neuralgiforme Symptome, die zu Kopfschmerzen u.a.führen können.
Flankierende Therapien umfassen alle Maßnahmen, die eine Entspannung der Muskulatur zum Ziel haben.
Kausale Therapien sind Okklusionstherapien, die zu einer Re-Koordination des neuromuskulären Systems führen. Dazu gehören die Zentrikschienen, besonders als harte individuell adjustierte Aufbissschienen für den Oberkiefer.
Eine gute Möglichkeit ist dabei die standardisierte Vorgehensweise mit einer 2-phasigen Oberkiefer-Aufbissschiene. Durch die Teilung der Behandlungsschritte ist diese auch als Dekompressionsschiene bei komprimierten Kiefergelenken einsetzbar. Darüber hinaus wirkt sie nicht nur diagnostisch, sondern auch therapeutisch mit dem Ziel einer nachhaltigen Stabilisierung der physiologischen Zentrik, als Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung in die Prothetik.
Um die komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen beim Symptomenkomplex CMD bekannter zu machen und den wichtigen interdisziplinären Ansatz zu unterstützen, begrüßt Prof. Dr. Meyer die Eröffnung von speziellen interdisziplinär ausgerichteten CMD-Praxen und CMD-Zentren.
Diese leisten einen wichtigen Beitrag zur Prävention von chronischen Schmerz- und Beschwerdesymptomen unter Einbeziehung der Zahn-Mund-Kieferheilkunde und damit auch die Voraussetzung für eine erhebliche Kostenreduzierung bei Krankenkassen und Versicherungen.
Denn letztendlich erweisen sich langwierige Arzt-Odysseen, oft ohne befriedigende Therapieergebnisse, als massive Kostentreiber für die gesetzlichen und privaten Kostenträger.
In diesem Zusammenhang fordert Prof. Meyer die Kostenträger dazu auf, ihre Erstattungspraxis zu ändern:
„Die Kostenerstattung muss sich nach den objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen richten, vor allem mit diesen Schritt halten und sich nicht nur an einmal festgelegten GOZ-oder BEMA-Positionen orientieren!“
Download PDF et al „Der Kopfschmerz – ein interdisziplinäres Problem“
Quelle: Quintessenz 2007;58(11):1211-1218