Tinnitus-Sprechstunde: Wie kann der Zahnarzt helfen?

Was erfahre ich in der Tinnitus-Sprechstunde?

Ein Beschwerdebild – viele Ursachen

Schätzungsweise sind ca. ein Viertel der in Industrieländern lebenden Menschen ein Mal im Leben von Tinnitus betroffen. In Deutschland nehmen sogar ca. 15 % der über 65-jährigen dauerhafte Ohrgeräusche wahr. Die Geräusche werden als permanentes Brummen, Pfeifen, Summen, Zischen, Ohrensausen, -klimpern oder -klingeln beschrieben. Außenstehende hören nichts, denn die Geräusche werden innerlich verursacht.

Selten handelt es sich um einen „objektiven“ Tinnitus, den der Hals-Nasen-Ohren-Arzt als zumeist erster ärztlicher Ansprechpartner tatsächlich hören kann. Krankheitsauslöser des objektiven Tinnitus können u.a. Tumore im Mittelohr sein, Arteriosklerose oder Einengung großer Arterien, die das Hirn versorgen. Dies ist relativ sicher diagnostizierbar.

Schwieriger wird es beim „subjektiven“ Tinnitus, bei dem Außenstehende nichts hören. Die Ursachen hierfür können äußerst vielfältig sein: Hörsturz, Lärmtrauma, Erkrankungen des Herz-Kreislauf- oder Nerven-Systems, funktionelle Störungen der Halswirbelsäule, Stoffwechselerkrankung und Stress.

Tinnitus-Sprechstunde: Bei diesem Patienten ergab die Funktionsanalyse einen starken Frühkontakt auf der rechten Okklusionsseite, der jahrelangen Tinnitus auslöste. Durch die Behandlung mit der DROS-Schiene konnte der Frühkontakt aufgehoben werden, der Tinnitus war bereits innerhalb von zwei Wochen nahezu verschwunden.
Tinnitus-Sprechstunde: Bei diesem Patienten ergab die Funktionsanalyse einen starken Frühkontakt auf der rechten Okklusionsseite, der jahrelangen Tinnitus auslöste. Durch die Behandlung mit der DROS-Schiene konnte der Frühkontakt aufgehoben werden, der Tinnitus war bereits innerhalb von zwei Wochen nahezu verschwunden.
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Volkskrankheit Tinnitus in Verbindung mit Störungen der Kaufunktion

Tinnitus als eine weitere große Volkskrankheit neben Kopf- und Rückenschmerzen, kann aber auch ein Erscheinungsbild einer Kaufunktionsstörung sein, bekannt als craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Wenn die Zähne nicht harmonisch zahnradartig ineinandergreifen und die Kiefergelenke nicht in ihrer physiologischen Position (zentrisch in der Gelenkgrube) ruhen und dadurch umgebende Strukturen und Muskulatur in Mitleidenschaft ziehen.

Neben sehr vielen anderen Ursachen können also auch Kaufunktionsstörungen ein Risikofaktor für die Entstehung von Tinnitus sein. Die Ursachenforschung ist aufgrund der Vielzahl der möglichen Auslöser aufwändig. Liegt eine Dauerstörung vor, ist die Wahrscheinlichkeit für eine ursächliche Beteiligung des Kausystems eher gering. Bei einer intermittierenden Störung steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit für die ursächliche Verbindung mit einer gestörten Kaufunktion.

Daher sollten in diesen Fällen von Tinnitus, wie auch bei einseitigen Kopf- oder Gesichtsschmerzen, auch Zahnärzte bei Diagnostik und Therapie einbezogen werden.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachärzten und zahnärztlichen Funktionsdiagnostikern hat demnach für die eindeutige Diagnose und Behandlung von Tinnitus großen Stellenwert.

Mehr zur interdisziplinären Diagnostik bei Tinnitus lesen Sie in diesem Fachbeitrag.

Tinnitus-Sprechstunde: Ansichtsmodelle mit „idealer Verzahnung“ von Oberkiefer und Unterkiefer.
Tinnitus-Sprechstunde: Ansichtsmodelle mit „idealer Verzahnung“ von Oberkiefer und Unterkiefer.
Bildquelle: ©GZFA
 

Diagnostik mit System

Ein Fachartikel in der „Zahnärztlichen Praxis / Technik“ (10/2012) weist der Schienentherapie eine Schlüsselrolle bei der CMD-Behandlung zu und unterstreicht die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit aufgrund der Komplexität der Beschwerdebilder. Entscheidend für die adäquate Behandlung ist insbesondere die Qualität des behandelnden Netzwerks sowie die Qualität der Aufbisschiene, um individuelle Lösungen für oftmals festgefahrene, bereits lange andauernde Beschwerden zu entwickeln.

Ziel dieser interdisziplinären „Diagnostik mit System“ ist es, betroffene Patienten von Anfang an mit allen notwendigen Kompetenzen symptomatisch und kausal zu behandeln. Ein funktionelles Therapiekonzept berücksichtigt alle Faktoren, die auf das komplexe stomatognathe System aus Zähnen, Kiefergelenken und Kaumuskulatur, Einfluss nehmen können. Dazu gehören u.a. orthopädische Erkrankungen und Malokklusionen sowie psychische Faktoren.

Am Beispiel von Tinnitus wird die Forderung nach einem interdisziplinären Behandlungsnetzwerk begründet. Denn wie bei vielen CMD-Symptomen handelt es sich bei Tinnitus aufgrund seiner organischen Zusammenhänge, seiner unterschiedlichen Ursachen und Erscheinungsformen, um ein multifaktorielles Beschwerdebild.

Entscheidend ist die erste Diagnose durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt

Die erste Diagnose sollte zwingend von einem HNO-Arzt vorgenommen werden, der zwischen einem objektiven und einem subjektiven (non-auditorischen) Tinnitus unterscheiden muss. Für die vollständige Diagnostik eines Ohrgeräuschs müssen alle vorliegenden anatomischen und physiologischen Verhältnisse untersucht werden. Hier können geschädigte Härchenfortsätze oder Ionenpumpen, Störungen im Bereich des Motormechanismus, der Ionenkanäle oder der Signalübertragung zum Hörnerv gefunden werden.
Relativ gut diagnostizierbar sind die meisten ursächlich verantwortlichen Erkrankungen für objektiven Tinnitus, wie z.B. Tumore im Bereich der Carotis oder des Mittelohrs, Arteriosklerose, Herzfehler oder Einengung der großen, Hirn versorgenden Arterien.

Problematischer gestaltet sich die Diagnose bei subjektiven Ohrgeräuschen, die für Tinnitus als CMD-Beschwerdebild relevant sein können. Mögliche Ursachen sind hier Hörsturz, akutes Lärmtrauma oder Erkrankungen von Herzkreislauf, Stoffwechsel oder Nervensystem sowie auch funktionelle Störungen an Halswirbelsäule oder Kiefergelenk.

An dieser Stelle sollte der behandelnde HNO-Arzt mit einem zahnärztlichen Funktionstherapeuten und Kiefergelenkdiagnostiker zusammenarbeiten.

Den vollständigen Fachbeitrag der GZFA zum Thema interdisziplinäre Kooperation bei Tinnitus („Zahnärztliche Praxis /Technik“ (10/2012) lesen Sie hier

Wie kann der Zahnarzt bei Tinnitus helfen?

Der auf CMD spezialisierte Zahnarzt untersucht in der Tinnitus-Sprechstunde, ob der Verdacht einer sogenannten Okklusionsstörung (z. B. durch Kiefer- oder Zahnfehlstellungen, Bruxismus, Abrasionsgebiss oder Zahnlücken) vorliegt, die den Tinnitus ausgelöst haben könnte. Dabei führt er eine klinische, manuelle und ggf. instrumentelle Funktionsanalyse in der Zahnarztpraxis durch.

Zunächst geht es in der Tinnitus-Sprechstunde im Anamnesegespräch um die Krankenvorgeschichte des Patienten, um die Lebenssituation und ob z. B. Stress als zusätzliche emotionale Belastung eine Rolle spielen kann, die die Symptomatik verstärkt. Danach tastet der Zahnarzt oder die Zahnärztin die Kaumuskulatur ab und prüft Mundöffnung und Gelenkgeräusche.

Die instrumentelle Funktionsanalyse wird mit diversen Hilfsmitteln durchgeführt. U. a. werden mit einem Kausimulator (Artikulator) und Gipsmodelle die genauen Kontaktverhältnisse der Zähne im Unter- und Oberkiefer zueinander sowie die Kiefergelenkposition untersucht. Sofern Fehlbisse und Fehlkontakte vorhanden sind, versuchen Kaumuskulatur und Unterkiefer, sich den Fehlstellungen anzupassen und diese auszugleichen. Dadurch kommt es zu teilweise massiven Verspannungen und Verkrampfungen. Die Kiefergelenke sind sehr komplex und von Bändern, Sehnen und Muskeln umgeben, die ein Bindeglied zur allgemeinen Statik des Körpers darstellen.

Erklärend sei dazu noch gesagt, dass der äußere Gehörgang und das Kiefergelenk sehr nah beisammen liegen. Weicht nun der Unterkiefer zum Ausgleich des Fehlbisses von seiner Idealposition ab, etwa nach hinten oben, kann sich der Verspannungsdruck auf die sogenannte bilaminäre Zone (ein Teil der Gelenkkapsel) ausdehnen. Diese wird komprimiert. Durch die Irritation des Gehörs können die störenden Ohrgeräusche – also Tinnitus – ausgelöst werden. Auch könnte sich bedingt durch die anatomische Nähe des Kiefergelenks zum Mittelohr, bei einer Lageveränderung der Gelenkscheibe (Diskus) eine Zugspannung auf Bänder des Gelenks ausgeübt werden und so die Schallübertragung im Mittelohr stören. Auch neuromuskuläre Zusammenhänge werden als möglicher Auslöser für die Ohrgeräusche angesehen.

Tinnitus-Sprechstunde: Spezialisierte Zahnärzte informieren über das DROS-Schienentherapiekonzept, das auch bei Tinnitus helfen kann, sofern eine Kaufunktionsstörung als Ursache diagnostiziert wurde.
Tinnitus-Sprechstunde: Spezialisierte Zahnärzte informieren über das DROS-Schienentherapiekonzept, das auch bei Tinnitus helfen kann, sofern eine Kaufunktionsstörung als Ursache diagnostiziert wurde.
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Welche Therapie ist beim spezialisierten CMD Zahnarzt möglich?

Um die verspannte Muskulatur des Kauapparates zu lösen und dadurch das Kiefergelenk zu entlasten, verwendet der auf CMD spezialisierte Zahnarzt Aufbissschienen oder sogen. Aufbissbehelfe. Bewährt hat sich die DROS®-Schienentherapie. Der Namen DROS® bedeutet Diagnose, Relaxierung, Orientierung und Stabilisierung und beschreibt die einzelnen Therapieschritte, die der Zahnarzt in der Tinnitus-Sprechstunde genau erläutert.

Bei der DROS®-Schiene handelt es sich um eine speziell angefertigte adjustierte Aufbissschiene für den Oberkiefer, die der Patient über einen Zeitraum von ca. 7 bis 10 Wochen trägt. Oft verspürt der Tinnitus-Patient bereits nach wenigen Tagen des Tragens eine Besserung. Während der Therapie wird die Schiene immer wieder angepasst, bis sich der Kondylus (Gelenkkopf des Unterkiefergelenks) wieder in der physiologisch richtigen Position befindet und stabilisiert hat.

Über Vorgehensweise, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten informiert der zahnärztliche Funktionsdiagnostiker in seiner Tinnitus-Sprechstunde und arbeitet gleichzeitig interdisziplinär mit Fachärzten und Therapeuten zusammen. Denn auch psychologische Faktoren können ein ursächlicher Faktor bei Tinnitus sein, wie etwa eine besondere berufliche oder familiäre Belastung, die als Trigger die Symptome massiv verstärken können.

Wer hält die Tinnitus-Sprechstunde?

Sollten Sie unter Tinnitus leiden, kann auch eine Abklärung bei einem auf CMD spezialisierten Zahnarzt sehr sinnvoll sein, um eine Funktionsanalyse des gesamten Kausystems durchführen zu lassen. Wenden Sie sich zur Terminvereinbarung an einen DROS®-Therapeuten des GZFA-Netzwerkes in Ihrer Nähe.

Die auf CMD spezialisierten Zahnärzte und Zahnärztinnen verstehen sich immer als Teammitglied eines interdisziplinären Ärzteteams, zu welchen auch HNO-Ärzte gehören, die Tinnitus-Patienten in ihrer Praxis untersuchen und behandeln und sich mit Zahnärzten austauschen.

Mehr lesen können Sie über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Tinnitus im Mutmachbuch von Donja Stempfle: „Vergiss den Tinnitus“- LangenMüller Herbig-Verlag

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