Bei Kiefergelenkbeschwerden zum Zahnarzt

25. Oktober 2012
CMD-Forschung

Bei Kiefergelenkbeschwerden zum Zahnarzt


Anatomie des Kiefergelenks - Funktion des Kiefergelenks

Bildquelle: ©GZFA

Das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) gehört zu den so genannten echten Gelenken, bei denen die miteinander verbundenen Knochenenden durch einen Spalt getrennt sind und sich gegeneinander bewegen können. Das Kiefergelenk unterscheidet sich jedoch in einigen anatomischen Merkmalen von allen übrigen Gelenken unseres Körpers.
 
Die Knochen, die sich bei Kiefergelenk gegeneinander bewegen, sind Teile des Schläfenbeins und des Unterkiefers. Die Gelenkgrube (Fossa mandibularis) ist eine Verbindung an der unteren Außenseite des Schläfenbeins vor dem äußeren Gehörgang. Direkt vor der Gelenkgrube liegt ein knöcherner, querstehender Wulst, den man als Gelenkhöckerchen (Tuberculum articulare oder auch Eminentia articularis) bezeichnet. Die Vorderfläche der konkav ausgeformten Gelenkgrube geht in die konvexe, schräg nach vorne und unten geneigte Rückfläche des Gelenkhöckerchens über.

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Anatomie des Kiefergelenks - Funktion des Kiefergelenks.
Anatomie des Kiefergelenks - Funktion des Kiefergelenks.
Bildquelle: ©GZFA
 

Die Gelenkgrube - Gelenkkopf oder Kondylus
 
Der Gelenkgrube gegenüber liegt das walzenförmige, obere Ende des Gelenkfortsatzes des Unterkiefers, Gelenkkopf oder Kondylus genannt. Die beiden Gelenkköpfe sind leicht schräg angeordnet, so dass sich die verlängerten Querachsen beider Kondylen - in der Horizontalebenen betrachtet - am vorderen Rand des Hinterhauptslochs in einem stumpfen Winkel von etwa 150° bis 165° schneiden.
 
Die Gelenkflächen (Facies articulares), worunter man die sich gegeneinander bewegenden Knochenoberflächen versteht, sind mit blutgefäßlosem Gelenkknorpel (Cartilago articularis) überzogen.
Er bedeckt die Gelenkfläche des Gelenkkopfs vollständig, ebenso die Vorderfläche der Gelenkgrube und die Rückfläche des Gelenkhöckerchens.
 
Im Unterschied zu allen anderen Gelenken haben die Gelenkflächen des Kiefergelenks keinen direkten Kontakt miteinander, denn zwischen beiden liegt eine Zwischengelenkscheibe, der so genannte Diskus articularis. Er unterteilt den Gelenkraum in zwei Kammern, den oberen und unteren Gelenkspalt (Spatium articulare superius bzw. inferius). Der Diskus ist an der Innen- und Außenseite des Gelenkkopfs durch zwei kurze Bänder befestigt; dadurch sitzt er dem Kondylus gleichsam wie eine Kappe auf. Der hintere Teil des Diskus ist an der Rückfläche der Gelenkgrube befestigt. Sein vorderer Rand steht über die Gelenkkapsel mit dem oberen Bauch des seitlichen Flügelmuskels in Verbindung.
 
Der Diskus besteht aus einem kollagenfaserigen Gewebe, dessen Fasern an der Ober- und Unterseite in Längsrichtung, im Inneren jedoch in allen Raumrichtungen verlaufen. Er ist in der Mitte mit ein bis zwei Millimeter am dünnsten, am vorderen Rand zwei bis drei Millimeter und am hinteren Rand drei bis vier Millimeter dick. Sein zentraler Teil enthält keine Blutgefäße, dafür aber ein dichtes Netz von Kollagenfasern und Knorpelzellen. Der hinter Teil des Diskus besteht aus lockerem, reich mit Fasern, Blutgefäßen und Nerven durchsetztem Bindegewebe, wird Bilaminäre Zone genannt und besteht aus zwei Schichten. Die obere Schicht enthält im Gegensatz zur unteren keine Kollagenfasern, sondern elastische Elastinfasern. Ihre Aufgabe ist es, den bei Kieferbewegungen nach vorne mitwandernden Diskus bei Rückschubbewegungen des Unterkiefers wieder in seine Ausgangslage zu ziehen.
 
Der Diskus
 
Damit der Diskus bei Vorschubbewegungen durch die elastischen Fasern nicht vom Kondylus nach hinten abgezogen werden kann, wird der obere Bauch des Seitlichen Flügelmuskels aktiv: er kontrahiert bei Vor- und Rückschubbewegungen des Unterkiefers gerade so stark, dass er die Straffung der elastischen Fasern ausgleicht und den Diskus immer in seiner Position hält.

Die dünne und relativ schlaffe Gelenkkapsel (Capsula articularis), die das Gelenk luftdicht abschließt, setzt sich aus zwei Schichten zusammen. Die äußere Faserschicht (Membrana fi brosa) besteht aus kollagenen Faserbündeln, die innere Schicht, Synovialhaut (Membrana synovialis) genannt, kleidet die beiden Gelenkspalten aus, außer in den Bereichen der Ober- und Unterfläche des Diskus und der Gelenkflächen. Sie ist faserarm, enthält Nerven und Blutgefäße und bildet Falten, die Synovialzotten.
Sie bildet nur sehr geringe Mengen an Gelenkflüssigkeit, die so genannte Synovia.
 
Die Befestigungslinie der Gelenkkapsel beschreibt am Schläfenbein etwa einen Kreis, der vorn über das Gelenkhöckerchen und seitlich entlang des Knorpelrandes verläuft. Am Unterkiefer folgt sie vorn dem Knorpelrand, hinten liegt sie etwa fünf Millimeter darunter.

Funktionell gesehen gehören zum Kiefergelenk noch drei Gelenkbänder. Von diesen ist nur das seitlich gelegenen Schläfenunterkieferband (Ligamentum laterale), das am Jochbogen seinen Ursprung hat und am Unterkieferhals ansetzt, ein Verstärkungsband. Das Keilbeinunterkieferband (Ligamentum sphenomandibulare) entspringt am Keilbeindorn des großen Flügels des Keilbeins und hat seinen Ansatz am Züngelchen an der Innenseite des Unterkieferastes. Der Ursprung des Griffelunterkieferbandes (Ligamentum stylomandibulare) befindet sich am Griffelfortsatz des Schläfenbeins, der Ansatz am hinteren unteren Rand des Unterkieferastes. Das Keilbandunterkieferband und das Griffelunterkieferband haben zwar keine räumliche Beziehung zum Kiefergelenk, spielen aber bei der Begrenzung von Kieferbewegungen einen Rolle.

Der Bau des Kiefergelenks ist individuell recht unterschiedlich und hängt sehr stark von der Ausbildung des Gebisses ab. Bei Veränderungen des funktionellen Gleichgewichts, zum Beispiel nach Verlust von Zähnen, passt sich das Kiefergelenk durch Umbauvorgänge den neuen Verhältnissen rasch an, indem es die Gelenkgrube und den Kondylus entsprechend ummodelliert.

Bei Kiefergelenkbeschwerden zum Zahnarzt.
Bei Kiefergelenkbeschwerden zum Zahnarzt.
Bildquelle: ©GZFA
 

Funktion des Kiefergelenks
 
Am Beispiel des Kiefergelenks zeigt sich das Zusammenspiel von Form und Funktion besonders deutlich. Daher wird dieser Zusammenhang im Folgenden sehr ausführlich dargestellt.
 
Eine wichtige Besonderheit des Kiefergelenks ist seine Fähigkeit, zwei grundverschiedene Bewegungen ausführen zu können. Wie bei anderen Gelenken ist der Gelenkkopf in der Lage, sich in der Gelenkgrube um eine Achse zu drehen. Diese Bewegung nennt man Dreh- oder Scharnierbewegung oder auch Rotation. Der Gelenkkopf kann sich dabei um eine vertikale, sagittale sowie eine horizontale Achse drehen. Im Gegensatz zu allen anderen Gelenken kann der Gelenkkopf beim Kiefergelenk aus der Gelenkgrube heraustreten. Dies ist notwendig, um mit dem Unterkiefer Mahlbewegungen ausführen zu können. Diese Art der Bewegung nennt man Gleitbewegung oder Translation.
 
Beide Bewegungsarten können für sich allein wie auch in Kombination ausgeführt werden. Da beide Kiefergelenke über den Unterkiefer miteinander verbunden sind, vermögen sie sich nicht unabhängig voneinander zu bewegen. Auf die eben erwähnten Bewegungen des Gelenkkopfs ist der Bau des Kiefergelenks im Wesentlichen abgestimmt.
 
Der untere Bauch des seitlichen Flügelmuskels zieht den Gelenkkopf aus der Gelenkgrube heraus, die horizontalen Fasern des Schläfenmuskels ziehen ihn wieder in die Gelenkgrube zurück.
 Um die Reibung der sich gegeneinander bewegenden Gelenkflächen zu mindern, sind diese mit Gelenkknorpel überzogen. Er besteht aus Faserknorpel, um der erhöhten mechanischen Beanspruchung gewachsen zu sein und ist in Bereichen erhöhter Beanspruchung besonders dick.
 Ein Druckpolster in Form der Zwischengelenkscheibe (Diskus) ist zwischen den Gelenkkopf und die Gelenkflächen von Gelenkgrube und Gelenkhöckerchen eingefügt.
Da der Diskus durch kurze seitliche Bänder am Gelenkkopf befestigt ist, bewegt er sich wie eine aufgesetzt Kappe zusammen mit dem Gelenkkopf. Wichtig ist dabei, dass sich das dünne, gefäßlose Zentrum des Diskus immer an der Stelle zwischen Gelenkkopf und Rückfläche des Gelenkhöckerchens befindet, an der der Gelenkkopf am stärksten gegen die Gelenkfläche des Gelenkhöckerchens drückt.
 
Bilaminäre Zone

Er kann aber den Gelenkkopf nicht in vollem Umfang folgen (der Gelenkkopf kann maximal 15 Millimeter, der Diskus nur etwa sieben Millimeter gleiten), weil seine Bewegung durch die gedehnten Elastinfasern der Bilaminären Zone gebremst wird. Diese Rückhaltekräfte bewirken dabei auch ein leichtes Drehen des Diskus um seine Befestigungsstellen am Gelenkkopf nach hinten. Damit der Diskus bei Vorschubbewegungen durch die elastischen Fasern nicht vom Kondylus nach hinten abgezogen werden kann, wird der obere Bauch des Seitlichen Flügelmuskels aktiv: er kontrahiert bei Vor- und Rückschubbewegungen des Unterkiefers gerade so stark, dass er die Straffung der elastischen Fasern ausgleicht und den Diskus immer in seiner Position hält. Auch beim Zurückgleiten des Gelenkkopfs in die Gelenkgrube muss der Diskus ebenfalls immer optimal platziert sein. Auch hier sorgt der obere Bauch des seitlichen Flügelmuskels mit seiner Kontraktion, dass der Diskus durch die gestrafften Elastinfasern nicht zu schnell zurückgezogen wird. Hieraus wird verständlich, dass die beiden Bäuche des seitlichen Flügelmuskels zwar zusammenarbeiten, in ihrer Funktion aber antagonistisch wirken.

Beim Mundöffnen führt das Kiefergelenk eine reine Drehbewegung aus, die erst gegen Ende der Bewegung in eine kombinierte Dreh-Gleitbewegung übergeht. Dabei dreht sich der Gelenkkopf anfänglich um seine horizontale Achse, die so genannte Scharnierachse, wobei der Diskus durch die Elastinfasern in der Gelenkgrube zurückgehalten wird. Diese Bewegung wird im weiteren Verlauf mit der oben beschriebenen Gleitbewegung von Gelenkkopf und Diskus kombiniert.
 
Der Diskus ist wegen seines kollagenfaserigen Gewebes gut verformbar. Dies ist auch notwendig, weil er sich mit seinen Oberflächen immer optimal an die Form der Gelenkflächen anpassen und damit Größenunterschiede (=Inkongruenz) zwischen Gelenkkopf und Gelenkgrube ausgleichen können muss. Zudem ist die Gelenkgrube deutlich größer als der Gelenkkopf, damit sich dieser bei einer Drehung im Gelenk schräg stellen kann.
Der Diskus trennt das Kiefergelenk in zwei Teile. Der obere Gelenkteil, der durch die Oberseite des Diskus und die Gelenkfläche des Gelenkhöckerchens gebildet wird, ist für die Ausführung der Gleitbewegung zuständig, der untere Teil, bei dem der Gelenkkopf sich an der Diskusunterseite bewegt, ist für die Drehbewegung verantwortlich.
 
Damit der Gelenkkopf mit dem ihm gleichsam aufgeschnallten Diskus eine Gleitbewegung ausführen kann, ist die Gelenkkapsel weit und schlaff und kann so die Bewegung nicht behindern.
Auch ist ihre innere Schicht, die Synovialhaut, stark gefaltet und erlaubt dem Diskus und dem Gelenkkopf, sich weit nach vorn zu verlagern. Lymphgefäße der Synovialhaut liefern das Serum für die Gelenkflüssigkeit, die durch ihre schleimähnliche Beschaffenheit die Reibung der gegeneinander bewegten Flächen herabsetzten soll.
 
Zahlreiche in die äußere Fasernschicht der Gelenkkapsel eingelagerte Rezeptoren wirken bei der Kontrolle und Steuerung von Bewegungen und Stellungsänderungen des Unterkiefers mit.
Als einziges der drei Gelenkbänder verstärkt das Schläfenunterkieferband die Gelenkkapsel des Kiefergelenks. Außerdem schränkt es extreme Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen sowie extreme Seitwärtsbewegungen des Gelenkkopfs ein und begrenzt dadurch die entsprechenden Bewegungen des Unterkiefers. Griffelunterkieferband und Keilbeinunterkieferband hemmen nur Mundöffnungs- und Vorwärtsbewegungen des Unterkiefers in Extremstellungen.
 
Besonderheiten des Kiefergelenks
 
Das Kiefergelenk nimmt wegen einiger Besonderheiten eine Sonderstellung unter den Gelenken des Menschen ein.
 
1. Das rechte und das linke Kiefergelenk können sich nicht wie alle anderen Gelenke unabhängig voneinander bewegen, weil die zwei Kondylen als Bestandteile des Unterkiefers zwangsweise an jeder UK-Bewegung beteiligt sind.
 
2. Die Form der Kondylen passt im Gegensatz zu den anderen Gelenken nicht zur Form der Gelenkgrube und zur Form der Rückfläche des Gelenkhöckerchens; dies wird als Inkongruenz bezeichnet.

3. Eine verformbare, anpassungsfähige Zwischengelenkscheibe, der Diskus, muss diese Inkongruenz ausgleichen. Über Zwischengelenkscheiben verfügen sonst nur noch die Kniegelenke und das Schlüssel-Brustbeingelenk.
 
4. Jedes Kiefergelenk hat zwei Gelenkspalte, weil der Diskus die Gelenkhöhle vollständig durchzieht und den Gelenkraum in zwei Teile aufteilt (Zweikammergelenk).
 
5. Im Gegensatz zu allen anderen Gelenken, die nur Drehbewegungen durchführen können, ist das Kiefergelenk in der Lage, sowohl Dreh- als auch Gleitbewegungen durchzuführen.
 
6. Bei Bewegungen verlässt der Gelenkkopf die Gelenkgrube und kehrt in diese zurück, ohne dass das Gelenk dadurch geschädigt wird. Bei jedem anderen Gelenk bedeutet das Heraustreten des Gelenkkopfes aus der Gelenkgrube eine mehr oder weniger folgenschwere Schädigung ("Zerrung" oder "Verstauchung") des Gelenks.
 

Quelle: Grundwissen für Zahntechniker | Anatomie | Gühring / Barth


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