Alltägliche Ängste und Sorgen kennt jeder Mensch aus seinem Leben. Das Gefühl der Angst ist sogar eine völlig normale Reaktion auf Gefahr und evolutionsbedingt als eine Art Schutzmechanismus in uns verankert. Bei manchen Personen sind jedoch Ängste so beherrschend, dass sie ein gesundes Ausmaß übersteigen und sich in einer Angststörung äußern. Die Lebensqualität und der Alltag sind bei den Betroffenen von der Angst stark beeinflusst. So kann es sein, dass ein Patient mit Zahnarztangst schon sehr lange unter starken Zahnschmerzen leidet und diese Schmerzen billigend in Kauf nimmt und sich quält, anstatt sich von einem Zahnarzt oder einer Zahnärztin helfen zu lassen.
Angstpatienten werden in der Zahnarztpraxis geduldig und einfühlsam beraten, untersucht und behandelt.
Bildquelle: ©MunichDent
Eine Angstsituation kann sich in einen Teufelskreis zwischen Wahrnehmung, körperlichen Veränderungen, negativen Gedanken und automatischen Reaktionen verwandeln: Der Betroffene nimmt etwas wahr. Das können Bohrgeräusche, der Anblick einer Spritze oder typische Gerüche einer Zahnarztpraxis sein. Für manche reicht es aus, auch nur an eine Spritze zu denken oder an die bevorstehende Zahnbehandlung. Daraufhin bereitet sich der Körper auf eine blitzschnelle Reaktion vor. Der Blutdruck steigt, der Puls und Atem gehen schneller, der Betroffene beginnt zu schwitzen oder zu zittern. Der Körper wird durch eine Adrenalinausschüttung in Alarmbereitschaft versetzt, um zu fliehen oder um zu kämpfen, was über Jahrtausende hinweg überlebenswichtig war.
Ängste und psychischer Stress können auch starke Muskelverspannungen auslösen, die sich in Kauf- und Kiefergelenkstörungen zeigen. Häufig äußerst sich der Stress, ohne dass der Patient dies bewusst wahrnimmt, im Schlaf durch Bruxismus (Zähneknirschen und Zähnepressen), aber auch in Wachbruxismus oder mit Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD).
Manche haben Angst, der Zahnarzt könne ihnen wehtun, den Schmerz nicht auszuhalten oder die Spritze nicht zu vertragen. Derart negative Gedanken verstärken die körperlichen Reaktionen und beeinflussen das Verhalten. Der Angstpatient wird alles tun, aus der Angstsituation wieder herauszukommen und auf Vermeidungsstrategie setzen. Der so dringende Besuch in der Zahnarztpraxis fällt dann aus, das strahlende und sorglose Lächeln ist sicher auch schon lange verloren gegangen.
Wer leidet unter Zahnarztangst?
Zahnarztangst ist sehr weit verbreitet. Da es sich auch heute noch um ein Tabuthema handelt, ist die Dunkelziffer deshalb hoch. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) sind rund 15 Prozent von einer massiven Zahnbehandlungsangst, allgemein unter Zahnarztangst oder Zahnarztphobie bekannt, betroffen. Laut einer Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist die Angst bei ca. 5 Prozent der Bevölkerung so immens, dass sie überhaupt nicht zu einem Zahnarzt gehen.
Grundsätzlich kann jeder von einer Dentalphobie betroffen sein, wobei Kinder häufiger darunter leiden. Gerade in der Kindheit kann der Grundstein für die Zahnarztangst gelegt werden. Deshalb bedarf es der Unterstützung der Eltern, der Empathie des Behandlers und einen Vertrauensaufbau zwischen dem Kind und dem Zahnarzt, damit der kleine Patient einen entspannten Umgang mit Zahnarztbesuchen lernt.
Die meisten Menschen mit Zahnbehandlungsangst sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, wobei der Frauenanteil höher ist. Frauen gehen allerdings offener mit ihren Ängsten um, während Männer dies als Zeichen der Schwäche sehen und sie nicht zeigen wollen. Mit steigendem Lebensalter nimmt der Anteil der Angstpatienten und Angstpatientinnen ab. Möglicherweise haben die Betroffenen inzwischen gelernt, mit der Dentalphobie umzugehen oder haben ganz einfach gute Erfahrungen in einer auf Angstpatienten spezialisierten Zahnarztpraxis gemacht.
Symptome bei Zahnarztangst und Zahnarztphobie
Über zwei Drittel geben an, unangenehme Gedanken zu haben oder ein mulmiges oder flaues Gefühl in der Magengegend zu verspüren, wenn ein Zahnarzttermin ansteht. Dies ist jedoch noch lange keine Zahnbehandlungsangst oder gar Dentalphobie, die sich sehr heftig mit starken Symptomen äußern kann und zunächst an eine Allgemein- oder Organerkrankung oder eine psychische Erkrankung erinnert.
Zu den starken Symptomen einer Zahnbehandlungsangst gehören u. a. innere Unruhe, Atemnot, Zittern, Migräne, Herzrasen, Schlafstörungen, Reizmagen, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Konzentrationsschwäche und Gereiztheit in unterschiedlich heftiger Ausprägung. Die Ängste können sich bis zur Todesangst mit Panikattacken steigern oder in der Angst manifestieren, verrückt zu werden.
Der Gedanke an einen Zahnarztbesuch löst bei etwa 5 Prozent eine so starke Panik aus, die es Betroffenen unmöglich macht, einen Termin zu vereinbaren oder wahrzunehmen. Nicht selten leiden sie über einen längeren Zeitraum unter unerträglichen Zahnschmerzen mit allen Begleiterscheinungen. Berufliche Auswirkungen und psychische Probleme, die daraus resultieren, werden in Kauf genommen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat inzwischen die Dentalphobie als eine spezielle Form der Phobien anerkannt und nimmt diese Angststörung sehr ernst. Dies geschieht auch im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Zähnen und Allgemeingesundheit, denn Zahnheilkunde liefert einen integralen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit. Die sprichwörtliche Umdeutung „Dens sana in corpore sano“- gesunder Zahn in einem gesunden Körper – soll dies zum Ausdruck bringen.
Angst als sinnvoller Abwehrmechanismus
Angst vor dem Zahnarztbesuch ist kein guter Ratgeber. Während Angst und die darauffolgenden körperlichen Reaktionen evolutionsbedingt in manchen Situationen überlebenswichtig waren, um blitzschnell die Flucht ergreifen oder kämpfen zu können, ist eine ausgeprägte Zahnbehandlungsangst kontraproduktiv. Die Dentalphobie und deren Mechanismen sind so stark, dass sie zum echten Problem für die Zahngesundheit, die Psyche und das allgemeine Wohlbefinden werden können.
Die Betroffenen können aufgrund ihrer Angst z. B. keine Vorsorgetermine in der Zahnarztpraxis wahrnehmen oder erkrankte Zähne im Anfangsstadium behandeln lassen. Über ein Drittel der Angstpatienten sind der Überzeugung, dass alle Zahnarztbehandlungen ausnahmslos schmerzhaft sind. Dies entspricht definitiv nicht den Tatsachen, denn die moderne Zahnheilkunde kennt seit über einem halben Jahrhundert vielfältige Möglichkeiten, die Besuche in der Zahnarztpraxis schmerzfrei zu gestalten. Die heutigen Betäubungsmethoden wie etwa eine Behandlung unter Lachgassedierung oder eine Behandlung unter Narkose sind sehr sicher und fast nebenwirkungsfrei.
Trotzdem befinden sich die Patienten und Patientinnen mit einer Dentalphobie in einem vermeintlichen Teufelskreis: Die Ängste und negativen Gedanken verstärken sich, die Besuche beim Zahnarzt werden deshalb immer seltener. Nur unter völliger Anspannung werden Termine wahrgenommen. Diese werden dann als äußerst stressbeladen und schmerzhaft erlebt und brennen sich als schlimme Erlebnisse ins Gedächtnis ein.