32 Zähne: Das Gebiss und seine Funktionen
Biomechanik der 32 Zähne
Einfluss von Zahnformen und Zahnbeziehungen auf die Kaufunktion
Die Kaufunktion beruht auf biomechanischen und neuromuskulären Wechselwirkungen aller Strukturen des Kauapparates: 32 Zähne in Ober- und Unterkiefer, die beiden Kiefergelenke und die Kaumuskulatur. Die Steuerung des Kausystems erfolgt über das Zentralnervensystem.
Bei den hintersten vier Backenzähnen, je einer links und rechts in Ober- und Unterkiefer, handelt es sich um die sogen. Weisheitszähne. Diese haben im Lauf der Evolution ihre Funktion verloren, denn zugunsten einen größeren Schädelwachstums wurde der Kiefer kleiner und verursachte dadurch einen problematischen Platzmangel. Die Weisheitszähne werden daher sehr häufig bereits im jugendlichen Alter entfernt, da sie die Nachbarzähne beeinträchtigen bzw. verschieben, sich entzünden oder als Störkontakt eine Kaufunktionsstörung (CMD) auslösen können.
Das bedeutet, der heutige Mensch benötigt eigentlich nur 28 Zähne für eine gesunde Kaufunktion. Dieses Prinzip wird auch bei der Versorgung mit Zahnersatz verfolgt. Beim zahnlosen Patienten sind sogar „nur“ 24 Zähne vorgesehen, z.B. für die festsitzende Zahnprothese bei der All on 4 Behandlung.
Für eine ungestörte Kaufunktion sind vor allem biomechanische Parameter entscheidend. Daher spielen umfassende Kenntnisse über Funktion und Biomechanik des menschlichen Gebisses eine große Rolle bei der zahnärztlichen Behandlung, v.a. wenn es um die Versorgung mit Zahnersatz, Zahnimplantaten oder eine kieferorthopädische Behandlung geht. Denn nur unter Berücksichtigung wesentlicher funktioneller Kriterien können Fehlfunktionen von Zähnen und Kiefergelenken vermieden werden.
32 Zähne – Wunderwerke der Natur
Unsere Zähne sind echte Wunderwerke der Natur, denn sie erfüllen elementare Aufgaben: Sie ermöglichen das Kauen, Schlucken und Sprechen, außerdem prägen sie unser Aussehen, besonders beim Lachen. Damit haben sie auch eine große psychologische Bedeutung. Schöne, gesunde Zähne vermitteln Jugend und Attraktivität, fehlende oder abgenutzte und geschädigte Zähne lassen eher älter und unattraktiv wirken. In Bezug auf die Biomechanik des Kausystems dienen die Zähne der craniomandibulären Stabilisierung, d.h. der Erhaltung der physiologisch korrekten Lageverhältnisse zwischen dem dreidimensional beweglichen Unterkiefer und dem Schädel.
Das Gebiss des Menschen besteht aus 32 Zähnen, von genetischen Abweichungen abgesehen. Die natürliche Form und Gestalt von Vorder- und Seitenzähnen sind bereits festgelegt, bevor die Zähne durch das Zahnfleisch in die Mundhöhle durchbrechen. Von Natur aus finden sich an allen Kauflächen spitze Formen.
Die Zahnkronen sind mit einer ca. 2,5 mm starken Schicht überzogen, dem Zahnschmelz. Er ist die härteste Substanz unseres Körpers und besteht zu 98% aus Mineralstoffen. Seine Härte macht ihn normalerweise widerstandsfähig gegen Säuren aus der Mundhöhle und Verletzungen durch Beißen oder Kauen.
Für eine funktionelle Verzahnung (= funktionelle Okklusion) sind vor allem die unteren Schneide- und Eckzähne wichtig, denn sie führen zusammen mit den Oberkiefereckzähnen den Unterkiefer und gewährleisten dadurch auch eine physiologisch passende Position der Unterkieferköpfchen im Kiefergelenk.
Die Backenzähne dienen der Kraftverteilung und haben daher gegenüber den Frontzähnen vor allem eine mechanische Funktion.
Was passiert, wenn 32 Zähne nicht zueinander passen?
Biologisch vorgesehen ist die Harmonie zwischen Zähnen und Kiefergelenken. Das bedeutet, die Form und Stellung der Zähne sowie die Kauflächen „passen“ zur Position der Kiefergelenke. Die Höcker und Furchen der natürlichen Zähne sind perfekt aufeinander abgestimmt, greifen zahnradartig ineinander und sind im Gleichklang mit den Unterkieferbewegungen, den Aktivitäten der Kaumuskeln und der neurophysiologischen Steuerung.
Kommt es an einer Stelle im System zu Störungen, versucht der Körper diese durch starke muskuläre Anspannung auszugleichen oder sich daran anzupassen. Massive Verspannung der am Kausystem beteiligten Muskeln an Kopf, Kiefer und Gesicht kann unterschiedliche CMD-Symptome auslösen, wie z.B. Kiefer-, Kopf- und Gesichtsschmerzen oder Nackenverspannungen.
So können bereits geringfügige Änderungen der Zahnformen als sogen. Störkontakte, die harmonischen Abläufe stören und Schäden an Zähnen, Zahnbett, Kaumuskulatur und Kiefergelenken verursachen. Sogar der harte Zahnschmelz hält den enormen Kaukräften von bis zu 800 N nicht mehr stand. So kommt es teils zu massiver Abnutzung ganzer Zahnreihen etwa durch Bruxismus/Zähneknirschen. Durch die nun fehlenden Zahnspitzen geht die Bissführung durch die Front- und Eckzähne verloren, der Biss senkt sich ab, was zu einer Kompression der Kiefergelenke führen kann. Kiefergelenkschmerzen, Ohrenschmerzen und Tinnitus können auftreten.
Stör- oder Frühkontakte entstehen auch dann, wenn Zahnfüllungen oder Zahnkronen nicht perfekt angepasst und damit entweder zu hoch oder zu niedrig sind. Beides stört den harmonischen Ablauf der Kaubewegungen.
Nach Abschluss des knöchernen Wachstums klagen bereits viele junge Menschen über Kopfschmerzen oder Beschwerdesymptome im Kieferbereich. Bei 17 -19-jährigen werden sehr oft schon Abrasionsflächen an oberen Schneidezähnen und Eckzähnen sichtbar. Ein schleichender Prozess, der immer weiter fortschreitet. Die Ursache liegt an Frühkontakten, die im Seitenzahnbereich auftreten, z.B. an Weisheitszähnen oder verlagerten Seitenzähnen. Dies kann genetisch bedingt sein, aber auch durch eine kieferorthopädische Überregulierung, schlecht passenden Zahnersatz oder auch psychoemotionalen Stress verursacht werden.
Die Folge ist Pressen und Knirschen auf den entstandenen Frühkontakten der Zähne. So verkürzen sich die Zähne im Frontzahnbereich immer mehr, die Eckzahnführung mit physiologischer Unterkieferposition (Kondylenposition) geht verloren; es kommt zu einer Veränderung der Bisshöhe (Bissabsenkung) von mehreren Millimetern und damit auch zu einer Positionsänderung der Kiefergelenke. Die Folge ist eine funktionelle Störung, die sich über neuromuskuläre Mechanismen in andere Körperbereiche fortsetzt und zu Beschwerdesymptomen im Bereich von Kopf, Schultern und Rücken führen kann.
Wiederherstellung der natürlichen Zahnfunktionen
Häufig werden Frühkontakte bei der Zahnbehandlung eingeschliffen, ohne Berücksichtigung der genauen Position des Unterkiefers. Somit findet eine weitere Bissabsenkung statt mit weiterer Fehlbelastung der Kiefergelenke - ein Teufelskreis! So etabliert sich ein „falscher Biss“ meist über einen Zeitraum von vielen Jahren.
Zur Wiederherstellung harmonischer Abläufe im Kausystem mit Entspannung der Muskulatur führen spezialisierte CMD-Zahnärzte zunächst eine Funktionsanalyse und anschließend eine Schienentherapie durch, wie etwa mit der DROS®-Schiene. Dadurch werden Fehlkontakte diagnostiziert und die Muskeln relaxiert. Um die biologischen Zahnfunktionen über die natürlichen Zahnformen und Zahnbeziehungen wiederherzstellen, besonders bei erheblichem Verlust der Bisshöhe, erfolgen prothetische Aufbaumaßnahmen unter Berücksichtigung der physiologischen Kiefergelenkposition. Nur so kann ein ungestörtes Zusammenspiel von Zähnen, Kiefergelenken und Kaumuskulatur beim Abbeißen, Kauen und Schlucken gewährleistet werden.
Aufgabe des Zahnarztes ist es daher, bei allen Versorgungen das natürlich vorgesehene Zahnradprinzip mit den biologischen Zahnformen und Zahnbeziehungen beizubehalten; dies nicht nur zur Wiederherstellung einer gesunden Kaufunktion, sondern auch für eine harmonische und perfekte Zahnästhetik.