Okklusion und Kiefergelenkposition

Die Bedeutung der Okklusion für die Kiefergelenkposition

Zwischen der Verzahnung von Ober- und Unterkieferzähnen, der sog. Okklusion und den Kiefergelenken bestehen eindeutige Zusammenhänge. So werden die Bewegungen der Kiefergelenke über den Unterkiefer direkt auf die Okklusion übertragen. Damit besteht eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Kiefergelenkposition, der sog. Kondylenposition und der Okklusion.

Mit dem Kiefergelenk funktionell eng verbunden sind die Gelenke des Kopfes. Bei Fehlfunktionen werden diese über die fehlbelastete und verspannte Muskulatur weitergeleitet, so dass auch Nacken, Schulter und Rücken von Schmerzsymptomen betroffen sein können.

Auch chronische Beschwerden, wie einseitige Kopf- oder Gesichtsschmerzen, können aus Fehlfunktionen oder Schmerzen im Kiefergelenk resultieren. 

Okklusion und Kiefergelenkposition: Die Bedeutung der Okklusion für die Kiefergelenkposition.Okklusion und Kiefergelenkposition: Die Bedeutung der Okklusion für die Kiefergelenkposition.
Bildquelle: ©GZFA

Man spricht in diesen Fällen vom Symptomenkomplex einer Craniomandiblären Dysfunktion, CMD. Betroffen davon sind mindestens 10% aller neuen Patienten, die eine Zahnarztpraxis aufsuchen -Tendenz steigend, besonders bei zunehmend jüngeren Menschen.

Der eindeutige Zusammenhang von Okklusion und Kiefergelenkposition wurde bereits 1966 von den beiden Gnathologen Hiniker & Ramfjord beschrieben und als Behandlungsmaxime für Zahnärzte treffend formuliert:

„Passen Sie die Okklusion dem Gelenk an und hoffen Sie nicht darauf, dass sich das Gelenk der Okklusion anpasst.“

Auswirkungen von Okklusionsstörungen auf Kaumuskulatur und Kiefergelenke 

Eine harmonische Okklusion zeichnet sich aus durch einen gleichmäßigen Kontakt der Zähne, eine entspannte Kaumuskulatur und eine stabile Kiefergelenkposition. (Abb. 15/16/17)

Störungen dieser harmonischen Verzahnung können Funktionsstörungen im Kausystem auslösen, die über neuromuskuläre Mechanismen in andere Körperregionen ausstrahlen.

Verantwortlich für das Schmerzgeschehen sind dabei sehr häufig distrahierte oder komprimierte Kiefergelenke.

Wichtig zum Verständnis der Zusammenhänge:

Die Steuerung der Okklusion erfolgt über das Zentralnervensystem, wobei zur gleichmäßigen Kaudruckverteilung immer ein maximaler Vielpunktkontakt der Zähne angestrebt wird. Liegen Fehlkontakte vor, weicht der 3-dimensional bewegliche Unterkiefer aus und nimmt immer die scheinbar für den maximalen Vielpunktkontakt bestmögliche Lage ein (= habituelle Okklusion). Dabei gerät er aber selbst aus seiner harmonischen, stabilen Lage. Aus dieser Positionsverlagerung können dann Schmerzen und Beschwerden entstehen.

Vorkontakte - Frühkontakte

So bewirken beispielsweise Vor- oder Frühkontakte einzelner Zähne eine massive Kaukraftkonzentration auf einen Punkt. Wirken diese Kräfte dauerhaft, häufig noch verstärkt durch nächtlichen Bruxismus, können Zähne geschädigt werden und sogar Frakturen auftreten. 

Zum Schutz der Zähne reagiert nun die Muskulatur mit einem Kompensationsmechanismus: Sie verlagert den Unterkiefer in eine Position, die es erlaubt, den Kaudruck wieder gleichmäßiger auf mehr Zahnkontakte zu verteilen. (Abb.19)

Dieser Mechanismus schützt zwar den Zahn, belastet aber erheblich die umliegende Muskulatur und die Kiefergelenke, die unnatürlich belastet werden und in eine instabile Position geraten bzw. komprimiert werden. (Abb.20)

Die Folge sind anhaltende Verspannungen der Kau-, Gesichts- und Kopfmuskeln, die Schmerzen und Kiefergelenkprobleme bewirken können. 

Eine dauerhafte Überbeanspruchung können die Muskeln nicht mehr kompensieren, es kommt zu einer Inkoordination der Muskelaktivitäten durch das Zentralnervensystem. Die Folge sind Muskelverspannungen und Schmerzsymptome auch in anderen Bereichen des Körpers.

So können schon Abweichungen von wenigen Millimetern an den Zähnen sogar zu schmerzhaften Haltungsschäden infolge Beckenschiefstand führen.

Zur Aufdeckung schwierig zu lokalisierender Frühkontakte ist der Aqualizer ein geeignetes Hilfsmittel.

Fehlende Seitenzähne

Auch fehlende Seitenzähne, also Zahnlücken im Ober- oder Unterkiefer können zu einer Störung der Okklusion führen. Denn die seitliche Abstützung fehlt, der Kontakt der Zähne erfolgt nur in der Front. Wieder führt kompensatorische Muskelkraft zu einer Verlagerung des Unterkiefers nach hinten oben; das Kiefergelenk mit dem Gelenkkissen, dem Diskus wird dadurch komprimiert. Häufig beobachtetes Symptom sind Ohren- und Schläfenschmerzen, bekannt als Costen-Syndrom.

Langfristig sind bei Zahnlücken im Unterkiefer kraniomandibuläre Dysfunktionen zu erwarten.

Weisheitszähne

Weisheitszähne können als eigentlich funktionslose Zähne, die Okklusion stören und gelten damit als mögliche Ursache für CMD

So kann ein verlängerter Weisheitszahn zu einer Distraktion, einem Auseinanderziehen des gegenüberliegenden Kiefergelenks führen, mit entsprechender Schmerzsymptomatik.

Zahnärztliche, kieferorthopädische und zahntechnische Versorgung

Auch insuffiziente zahnärztliche Behandlungen, kieferorthopädische Überregulierungen und mangelhafte zahntechnische Versorgungen können für Okklusionsstörungen verantwortlich sein. Besonders mangelhafter Zahnersatz, zu hohe oder zu niedrige Restaurationen gelten als Auslöser. Bereits eine einzige nicht passende Kaufläche kann schon zur Kompression des gegenüberliegenden Kiefergelenks führen.

Vor allem zu niedriger Zahnersatz im Seitenzahnbereich wird in Zusammenhang gebracht mit dem vermehrten Auftreten von Trigeminusneuralgien

Abrasionsgebiss

Unnatürlicher Zahnabrieb durch massives Zähnepressen und Zähneknirschen sowie die bereits beschriebenen Okklusionsstörungen, können zu einem erheblichen Verlust der Zahnhartsubstanz führen. Die Spitzen und Höcker der Front- und Seitenzähne werden immer kürzer, die Front-Eckzahnführung geht verloren, die Kiefergelenke geraten aus ihrer stabilen Position. Sie werden komprimiert, der Gelenkspalt verengt sich, es entsteht Druck auf die bilaminäre Zone, eine sensible Zone an der Gelenkkapsel. Da diese Zone in unmittelbarer Nähe zum Gehörgang liegt, erklären sich Ohrenschmerzen und Tinnitus als häufig auftretendes Symptom.

Abb. 15 zeigt eine harmonische Okklusion (CO = Complete Occlusion)
Abb. 15 zeigt eine harmonische Okklusion
(CO = Complete Occlusion)
Bildquelle: ©GZFA

Abb. 16 zeigt eine stabile Kiefergelenkposition (CR = Centric Relation)
Abb. 16 zeigt eine stabile Kiefergelenkposition
(CR = Centric Relation)
Bildquelle: ©GZFA

 

Abb.17 zeigt die optimale Position für Zähne und Kiefergelenk: die Zahnkontakte sind harmonisch in maximalem Vielpunktkontakt, die Position der Kiefergelenke stabil.
Abb.17 zeigt die optimale Position für Zähne und Kiefergelenk: die Zahnkontakte sind harmonisch in maximalem Vielpunktkontakt, die Position der Kiefergelenke stabil.
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Abb.18 zeigt einen Vorkontakt im Seitenzahnbereich, der keine harmonische Okklusion (CO-Position) zulässt.
Abb.18 zeigt einen Vorkontakt im Seitenzahnbereich, der keine harmonische Okklusion (CO-Position) zulässt.
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Abb.19 = der Unterkiefer nimmt die scheinbar bestmögliche Position ein, indem er sich verlagert (=habituelle Okklusion): keine stabile Kiefergelenkposition (CR-Position) mehr möglich.
Abb.19 = der Unterkiefer nimmt die scheinbar bestmögliche Position ein, indem er sich verlagert (=habituelle Okklusion): keine stabile Kiefergelenkposition (CR-Position) mehr möglich.
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Abb.20 = Kontaktführung - Verschieben der Zähne bzw. Kiefer in eine habituelle Okklusion, ausgelöst durch Vorkontakte.
Abb.20 = Kontaktführung - Verschieben der Zähne bzw. Kiefer in eine habituelle Okklusion, ausgelöst durch Vorkontakte.
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Okklusionstherapie bedeutet auch Kiefergelenktherapie

Das Ziel einer Okklusionstherapie ist die Entkopplung der falschen Okklusion und die Herstellung einer stabilen Kiefergelenkposition (CR). Stimmt diese nicht mit der Verzahnung/Okklusion überein, muss die Okklusion therapiert werden, sofern Beschwerden oder Schmerzen vorliegen. 

Die Therapie erfordert Maßnahmen zur Wiederherstellung einer perfekten Seitenzahnabstützung, einer steilen Eckzahnführung, gleichmäßiger Frontzahnführung und stabiler Gelenkposition. Somit ist die Okklusionstherapie auch eine Kiefergelenktherapie.

Eine erfolgreiche Okklusionstherapie kann durch den Einsatz von adjustierten Okklusionsschienen mit Front-Eckzahnführung erreicht werden. Vor Beginn der Schienentherapie erfolgt eine instrumentelle Funktionsanalyse und die Beurteilung der Zahnmodelle von Ober-und Unterkiefer des Patienten im Kausimulator.

Sehr gute Erfolge werden mit der zweiphasigen DROS®-Oberkieferaufbisschiene erzielt. 

In der ersten Phase diagnostiziert sie die Fehlkontakte und entkoppelt die pathologische Okklusion; gleichzeitig bewirkt sie eine Entspannung der Kaumuskulatur.

In der zweiten Phase erreicht die Schiene die Orientierung des Unterkiefers in seine physiologische Zentrik (zentrische Relation) mit anschließender Stabilisierung dieser Position. 

Aus dieser stabilen Lage heraus wird nun die Wiederherstellung der harmonischen Okklusion mit dauerhafter Stabilisierung der Kiefergelenkposition angestrebt.

Zum Erreichen dieses Ziels stehen drei mögliche Therapiemaßnahmen zur Verfügung:

1. Kieferorthopädische Maßnahmen korrigieren etwaige Fehlstellungen der Zähne.

2. Prothetische Maßnahmen ersetzen verloren gegangene Zahnhartsubstanz oder Zähne (additive Methode).

3. Einschleifmaßnahmen beseitigen Früh- bzw. Störkontakte (subtraktive Methode). 

Damit ist die DROS®-Schiene eine Okklusions- und Kiefergelenkpositionierungsschiene.

Die Okklusionstherapie als Kiefergelenktherapie wirkt demnach präventiv gegen die Entstehung von CMD-Symptomen.

Hilfe vom Okklusionstherapeuten mit interdisziplinärer Ausrichtung

Jeder Patient mit ungeklärten chronischen Schmerzen oder Beschwerden, besonders wenn sie im Bereich von Kiefergelenk, Kopf, Gesicht, Nacken, Schulter und Rücken auftreten, sollte die Okklusion seiner Zähne untersuchen lassen. Und dies von einem Zahnarzt, der sich auf Okklusions- und Kiefergelenktherapie spezialisiert hat und darüber hinaus in einem interdisziplinären Therapeutenteam arbeitet. 

Zu den wichtigen Behandlern gehören neben Zahnärzten, besonders Hals-Nasen-Ohrenärzte, Orthopäden und Neurologen, auch Physiotherapeuten und Osteopathen. 

Neben Okklusionsstörungen gilt auch Stress als Risikofaktor für craniomandibuläre Dysfunktionen. Daher sollten geeignete Therapiemaßnahmen zum Stressabbau in den Behandlungsplan integriert werden.

Hier finden Sie zahnärztliche Okklusions- und Kiefergelenkstherapeuten

Hier lesen Sie über die Bedeutung der Okklusion aus wissenschaftlicher Sicht

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